Aus der Geschichte von Weitmar-Bärendorf

 

Dr. Höfken

 

Während der großen Dortmunder Fehde erhielt der Söldnerführer Bitter von Raesfeld i. J. 1389 den Auftrag, mit seinen 40 Reisigen das Amt Bochum zu brandschatzen und die Höfe der Adeligen, die gegen die Stadt Dortmund in Fehde lagen, auszuplündern. In einem Vertrage mit der Stadt Dortmund wurden die einzelnen Bauerschaften genau aufgeführt; denn das auf diese Weise geraubte Gut durfte von Raesfeld behalten werden. In dieser Aufstellung werden zum erstenmale die einzelnen Teile genannt, aus denen sich die Großbauerschaft Weitmar später zusammensetzte. Es heißt dort, daß er brandschatzen sollte; to Hede, to Hatdyke, to Byschoping, Wetmar, Klevinkhusen, Revele, Brandorpe, Bevinktorpe. Mit H e d e waren die beiden Höfe Nieder- und Oberheitmann zu beiden Seiten der heutigen Wasserstraße gemeint. H a t d y k e war ein kleiner Hof i der Nähe der Gasanstalt an der Wasserstraße. Der Name Hatdyke wurde noch 1486 in dem Schatzbuch der Grafschaft Mark genannt, wo der „alde Hadickmann“ mit 1 Gulden Landessteuer angeführt wird; in späterer Zeit wird der Hof nicht mehr genannt. Im Jahre 1364 gehörte der Hof dem Hinrich von den Leithen gen. Keßken. Der Hof B i s p i n g lag zwischen den Höfen Schulte-Höhmann und Holtbrügge. Er gehörte der Abtei Werden und wurde von dieser zu Lehen vergeben. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde er aufgeteilt; die Ländereien erwarben die umliegenden Landwirte und Kötter. Die Höfegruppe K l e v i n k h a u s , W e i t m a r und R e v e l umfaßten die Höfe um das heutige Haus Weitmar und in dem Ortsteil Revel. Zu B r a n d o r p (abzuleiten von Bram-Ginster) gehörten die Höfe an der heutigen Brantropstraße. Mit B e v i n k t o r p ist das spätere Bärendorf bezeichnet. Der Name Bevinktorp kommt auch in den alten Höfeverzeichnissen der Abteien Werden und Essen aus dem 15. Jahrhundert vor. Erst nach dieser Zeit finden sich Anklänge an die heutige Namensform, 1519 z. B. Berentorp. Der Name hat also mit Bären nichts zu tun, sondern mit einem alten Rufnamen. Die Endung „ing“ sollte die Herkunft von dem alten Bauerngeschlecht andeuten, das der Gegend den Namen gegeben hat. Bevinktorp war also das Dorf, in dem die Sippe des Bevo wohnte. Eine ähnliche Namenbildung finden wir in dem angrenzenden Eppendorf, das ursprünglich Abbingtorp hieß; es war das Dorf, in dem die Hörigen des Werdener Abtes wohnten (die Bauernhöfe Tiemann und Backhaus).

 

Bärendorf umfaßte die Höfe Schürmann, Grümmer, Pinkerneil, Hesing und den R i t t e r s i t z B ä r e n d o r f. Ueber den letzteren sind wir urkundlich erst seit dem 15. Jahrhundert unterrichtet. Immer mit ihm verbunden war der Hof Schürmann, dessen ursprünglicher Name R o d e s c h u i r m a n n lautete. Die „Rodeschuir“ war die Scheune eines Mannes namens Rodo. Der Wortteil Rode tritt auch in dem altem Namen Rodenfeel auf, wie der Grümerhof in den alten Lehnregistern der Abtei Werden aus dem 15. Jahrhundert hieß. (feel = Saal, Wohnung, eine alte Bezeichnung für größere Höfe.)

 

In dem Hofesnamen P i n k e r n e i l steckt wohl ein Scherzname für „Schmied“ (pinken = schlagen, nell = Nagel). Die Besitzer dieses Hofes hießen im 16. Jahrhundert auch Köller (1519 Dirich Kaollen), wohl von dem Kohlenbergbau, der damals schon in dieser Gegend in Tagbau betrieben wurde.

 

Der erste bekannte Besitzer des Rittersitzes B ä r e n d o r f war D e t m a r B e r s w o r t aus der Dortmunder Patrizierfamilie von der Berswort. Er ließ sich 1479 mit dem G r ü m e r h o f von dem Abt von Werden belehnen. Seit dieser Zeit muß ein Stück von dem Grümershof abgetrennt und auf ihm, von einem Graben umflossen, der Rittersitz Bärendorf errichtet worden sein. Nur so läßt sich erklären, daß wir erst seit Detmar Berswort die Besitzer des Hauses Bärendorf kennen. Sein Besitznachfolger war sein Sohn Adrian, der von 1538 – 1563 genannt wird und Rat der Aebtissin von Essen war, dann dessen Bruder Detmar. Ein Bastardsohn des Adrian Berswort namens Reinhard Berswort besaß den Kotten Lehmsiepen und in Bochum den Freihof als Erbgut seiner Frau Klara, Tochter des Amtsrichters Wessel von der Hembecke.

 

Das Rittergut ging nach dem Tode des Detmar Berswort auf seinen Neffen Detmar von Dinsing über, der von 1576 – 1593 Richter des großen Amtes Bochum war. Er wurde auch mit dem Grümerhof belehnt; ferner besaß er den Weilenbrinkhof in Bochum als Lehen des Stiftes Herbecke. Während der Streifzüge der Spanier, die mit dem Herzog von Kleve im Kriege lagen, geriet er 1591 in die Hände spanischer Freibeuter und wurde erst gegen ein Lösegeld von 600 Reichstalern freigelassen. Das Rittergut erbte sein Sohn Detmar, der 1600 in Marburg studierte; er starb vor 1621. Später kam das Gut an dessen Tochter Elisabeth, die mit einem Herrn von Westfalen verheiratet war. Ihre Erben, die Eheleute Matthias von Schaden zu Wilshausen und die Eheleute Ludwig von Stockhausen, verkauften 1652 das Gut an den Drosten (Landrat) des Amtes Bochum Wennemar von Neuhoff. Er nahm auch auf Bärendorf Wohnung und verwaltete das Amt Bochum in den Jahren 1630 bis 1649. Dieser Droste war ein eifriger Förderer der kleinen reformierten Gemeinde in Bochum. 1665 wurde er in dem Erbbegräbnis in der Kirche in Weitmar beigesetzt.

 

Ueber Wennemars Sohn gleichen Namens kam Bärendorf an dessen Tochter Elisabeth, die mit Johann Konrad von Offenbrock auf Haus Wiesche bei Harpen vermählt war. Die Erbtochter Sibilla von Offenbrock verheiratete sich mit Daniel Sigismund von Kropf, Kapitän eines preußischen Infanterieregiements. Später kam das Gut an den Besitzer von Haus Weitmar. Im Nachlaßkonkurs wurde auch Bärendorf versteigert und 1774 von Hauptmann von Baerst auf Haus Kallenberg bei Kirchende erworben. Der Käufer überließ es 1789 an den Geh. Regierungsrat Joh. Lambert von Lamers. Von diesem ging es im Erbgang auf die Familie von Weiler in Wesel über. Von deren Nachkommen wurde 1833 das Gut aufgeteilt und verkauft.

 

Schon im 18. Jahrhundert waren Schuldentilgungs halber Teile des Gutes, der Rohkamp, der Osterkamp, das Neuland, an den Geh. Regierungsrat Grolman in Bochum übergegangen. Das Wohnhaus des Rittersitzes wurde schon vor 1782 abgebrochen; denn in diesem Jahre pachtete der Kötter Johann Dietrich H ü n n e b e c k den Hausplatz mit Baumgarten, die beiden Fischteiche, die Gärten und den diese Stücke einschließenden Graben. Hünnebecks Sohn, Johann Friedrich (gest. 25. 3. 1847), bewirtschaftete den Kotten weiter. Vier Söhne waren als Betriebsführer und Bergwerksdirektoren im Bergbau tätig; von dem Bergwerksdirektor Wilhelm Hünnebeck stammen die noch heute in Bochum tätigen Rechtsanwälte Hünnebeck ab. Der Hünnebeckkotten (16 Morgen groß) ging 1871 auf den Landwirt Grümer, 1893 auf den Landwirt Bergmann über.

 

Ein weiterer Kotten auf dem Gelände des Rittergutes gehörte der Familie M i d d e l d o r f. Ein W y n e k e n -k o t t e n wird 1486 und 1652 , ein B r a m e n k a m p = und F i n k e n b ü s c h e r k o t t e n werden im 18. Jahrhundert genannt. Das Gut war allmählich durch Anlage von Kotten verkleinert worden. Zuletzt umfaßte es noch 47 Morgen, von denen der Landwirt Georg Dietrich Knoop in Weitmar 10 Morgen erwarb. Wie alle anderen Höfe war auch das Rittergut Bärendorf an der Weitmar-Mark berechtigt und zwar mit 2 Gabenrechten, die ungefähr einer jährlichen Lieferung von 16 Fuder Holz entsprachen. Diese Rechte wurden schon 1774 versteigert und von Bochumer Familien angekauft.

 

Der R o de s c h ü r m a n n s h o f an der Alleestraße westlich von Stahlhausen gehörte bis zum 17. Jahrhundert zum Rittersitz. Seit dem 15. Jahrhundert war er an die Familie Schürmann verpachtet. 1644 wurde er von den Erben des Detmar von Dinsing an den Dr. jur. Bertram Hildebrand Kumpsthoff, Syndikus der Grafschaft Mark, der auf dem Freihof in Bochum wohnte, verkauft. In dem Vertrag werden die einzelnen Teile des Hofes bezeichnet: „die Rodescheuer nebst Hof, darauf dieselbe erbaut, nebst dem Horst (= Holzung) auf der Becke mit aufstehenden Bäumen, auch den Gärten und Wieschen, sodann an Ländereien ein Stück, genannt die 19 Scheffelse, ein Stück gen. der Fockenpütz, ein Stück, der Stapelacker genannt, ein Stück, die 10 Scheffelse, ein Stück, der Barnsberg, ein Stück, das Grümer Malterse genannt, nebst den zwei Stücken zwischen den Becken und neun Scheffelse hinter dem alten Helf.“ Beachtliche Flurnamen werden uns mit dieser Urkunde überliefert. Der Fockenpütz (1389 Fockenpot, Focke = Frosch, Kröte, pütz = Brunnen, Wasserloch) lag an der heutigen Cramerstraße, der Barnsberg (= Grenzberg) am Kosthaus Stahlhausen. Der Helf war der alte Hellweg an der Maarbrücke. Der Stapelacker, benannt nach seiner Form, lag an der Kohlenstraße.

 

Von der Familie Kumpsthoff, in deren Händen der Hof Rodeschür blieb, wurde er zeitweise als Witwensitz bestimmt. 1713 wohnte die Witwe Kumpsthoff dort. 1754 wurde der Hof von den Erben Kumpsthoff an die Miterbin Sofie Kumpsthoff, die mit dem Geh. Regierungsrat von Lamers verheiratet war, übertragen. Damit kam der Hof wieder an die Familie, die auch den Rittersitz Bärendorf besaß. 1836 wurde der Hof aufgeteilt. Das Wohnhaus war 1833 abgebrannt. Den Hausplatz mit den Wiesen und dem Stapelacker erwarb der Landwirt Heinrich Diederich Oberheitmann gen. Rodeschuirmann. Die anderen Ländereien kauften Bochumer Bürger (Ecker, Grimberg, Falkenberg) und der Besitzer der Wirtschaft Engelsburg, Peter Friedrich Daniel Cramer.

 

Die bekannte Wirtschaft E n g e l s b u r g war früher ein Kotten, der 1773 von der ev. Gemeinde Weitmar auf einem von Pinkerneil angekauften Landstück von 8 Scheffelse Größe errichtet war. Cramer hatte 1826 den Kotten angekauft und in dem neugebauten Hause eine Wirtschaft „Zur Engelsburg“ eröffnet, die lange Zeit ein beliebter Ausflugsort der Bochumer Bürger war. Benannt war die Wirtschaft nach der 1829 in Betrieb genommenen Zeche Engelsburg. Cramer hatte als freiwilliger Jäger 1815 am Feldzug gegen Napoleon teilgenommen. Bei dem am 22. Oktober 1815 gefeierten Bochumer Schützenfest wurde er zum Schützenkönig ausgerufen. Die von ihm gestiftete silberne Platte mit seinem Samen hängt heute noch an der Bochumer Schützenkette.

 

Lehnsbesitzer des Werdener G r ü m e r h o f e s , der ursprünglich den Namen Rodenseel geführt hatte, waren seit dem 15. Jahrhundert die Besitzer des Hauses Bärendorf. Grümer, der seinen Hof in Erbpacht hatte, gab im 18. Jahrhundert 7 Malter Roggen und Gerste und Hafer, 2 Schweine, 2 Gänse, 8 Hühner, 8 Pfund Flachs und 8 Tlr. für abgelöste Spanndienste. 1854 löste der Landwirt Spellberg gen. Grümer die Erbpachtrechte von dem damaligen Eigentümer Bölling ab.

 

Der H e e s i n g h o f gehörte der Abtei Werden und war dem Oberhof Eikenscheidt in Kray unterstellt. Der Name hängt wohl mit dem alten Personennamen Hes (= der Glänzende) zusammen, von dem die Sippennamen Heising und Ising abzuleiten sind. Der Hof läßt sich in den Registern der Abtei Essen bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Seine Abgaben an die Aebtissin blieben im Laufe der Zeit immer gleich. Nach dem Kettenbruch (um 1410) betrugen sie 12 Maß (vasa) Gerste, 12 Denare Königszins, 2 Schillinge, 1 Huhn. Später wurden diese Abgaben auf 7 Scheffel Gerste, 1 Huhn und einige Tlr. Bogteigelder festgesetzt.

 

Der P i n k e r n e i l h o f (1486 Pynkernhell) war ein alter Hof der Abtei Deutz bei Köln. Er unterstand dem Oberhof Schulte-Herveling in Leithe. Auch bei diesem Hofe bleiben die Abgaben immer unverändert. Sie betrugen im 16. Jahrhundert jährlich 6 Goldgulden, 1 Schwein, 6 Schillinge Maibedde. Im 17. Jahrhundert suchten die Herren von Nesselrode auf Haus Herten, die als Hofesschultheißen des Deutzer Abtes den guten Zustand der angeschlossenen Höfe zu überwachen hatten, den Hof an sich zu ziehen und in Pacht an den Besitzer wieder auszutun. Es kam deshalb zu langjährigen Prozessen. Der Name des Hofes wechselte. Nach den Registern der Bochumer Propsteikirche von 1519 bewohnte Dirich Kaeller den Hof; die Kirchenschätzungsliste von 1547 nennt Dirich Köller. „Die Koller“ gab 1542 1 Goldgulden Türkensteuer.

 

Ein alter K i r c h e n z e h n t lastete auf den Höfen Hesing und Pinkerneil – je 1 Scheffel Roggen, 1 Huhn, 1 Gans, 1 Stüber Zins – zugunsten des Rittersitzes Lieren bei Wattenscheid. Es handelte sich um einen alten Zehnten des Stiftes Mariengrabe in Köln, das ihn an die Ritter auf Lieren zu Lehen gab.

 

Schon in alter Zeit wurde in Bärendorf B e r g b a u getrieben. Darauf deuten die Hofesnamen Köller und der Flur- und Kottennamen Kallenberg (Kohlenberg). 1755 bestand die kleine Zeche Freiberg mit 8 Mann Belegschaft. Die heutige Kohlenstraße wurde 1767 genehmigt und war für die Abfuhr der Kohlen nach Gahlen bei Dorsten a. d. Lippe bestimmt. Bis zur Schiffbarmachung der Ruhr spielte sie eine gewisse Rolle. Nachdem 1832 die Versuche des Ruhrorter Franz Haniel in Borbeck, das Mergelgebirge senkrecht zu durchbohren und die Kohle in Tiefbauschächten zu gewinnen, Erfolg gehabt hatten, bedeckte sich die Bochumer Gegend mit Bohrtürmen. In Bärendorf wurde die Zeche Iduna angelegt, die noch 1855 mit 55 Mann Belegschaft 11 000 Tonnen Kohlen förderte. Bald darauf kam sie zum Erliegen und wurde von der Zeche Friederika erworben.

 

Mit der Errichtung der W e s t f ä l i s c h e n S t a h l w e r k e (1889) setzte der Zuzug neuer Bewohner ein. Ueberall entstanden neue Häusergruppen und die alten Höfe mußten ihre Landwirtschaft aufgeben. Als Zeugen blieben nur die alten Hofesgebäude hinter den Anlagen der Stahlwerke, die ihnen immer mehr auf den Leib rücken. Die Lage des alten Rittersitzes Bärendorf ist im Gelände des Winkels Brantrop- und Schützenstraße nur noch schwer zu erkennen.  

 

Impressum

1938 Bochum Ein Heimatbuch

 

Herausgegeben im Auftrag der Vereinigung für Heimatkunde von B. Kleff

 

Druck und Verlag

Märkische Vereinsdruckerei Schürmann & Klagges

4. Band

 

 Bochum 1938

 

(Zitierhinweis 2012)

Bernhard Kleff, Hg.: Bochum. Ein Heimatbuch. Bochum 1938. Bochumer Heimatbuch Bd. 4