Vom Geburtshause des Grafen Ostermann

 

Dr. Höfken

 

Wollte man im 17. Jahrhundert einem Freunde ein schönes Geschenk machen, dann überreichte man ihm ein mit kunstvoller Glasmalerei verziertes Fenster. Es bestand aus einzelnen Glastäfelchen, die mit schmalen Bleistreifen zusammengehalten wurden. Die Mitte zeigte meist das Wappen des Stifters oder sonst eine Malerei, die auf den Anlaß des Schenkens Bezug hatte. Meist schenkte man solch ein Fenster zur Hochzeit. Heute noch finden sich in ehrwürdigen Bauernhäusern im Münsterland usw. solche alte Fenster, mit Malereien und Umschriften versehen, die auf Hochzeit und Hochzeitsgebräuche hindeuten. Auch die Städte schenkten sich und ihren Beamten gegenseitig bei besonderen festlichen Gelegenheiten solche Fenster. 1607 verehrte der Rat der Reichsstadt Köln dem Stadtschreiber der Reichsstadt Dortmund, Detmar Mülher, ein Fenster mit dem Kölner Wappen. In einer Stadtrechnung Bochums von 1659 finden wir ausgaben unserer Stadt über zwei „Glasevinster“, die der Bochumer Magistrat dem Bürgermeister Dröge in Kamen und dem Rathaus in Hörde gestiftet hatte; „weilen kein Geld in Vorrat gehabt“, wie der Stadtschreiber der durch den Dreißigjährigen Krieg hart mitgenommenen Stadt vermerkt, mußte der Meister lange auf Bezahlung warten.

 

Eine willkommene Gelegenheit zum Schenken solcher Fenster bot auch der Bau eines Hauses. Bei „Hausböhrungen“, wie man das Richtfest nannte, ging es hoch her. Wohlhabende Freunde schenkten oft dem Herrn des neuen Hauses ein schönes Fenster. Der Hausherr lud dann die Stifter zu einem Gelage ein. Diese Feiern nahmen allmählich einen solchen Umfang an, daß durch Polizeiverordnung dagegen eingeschritten werden mußte. Im 4. Artikel der Statuten der Stadt Bochum wurde z. B. bestimmt, daß an einem „Gläseressen“ nur die teilnehmen durften, die Gläser geschenkt hatten. Uebertretungen sollten mit Geldstrafen geahndet werden. Im Münsterland nannte man solche Feiern „Glasbier“.

 

Zwei solche Fenster, die einzigen, die aus Bochumer Privatbesitz in unsere Zeit hineingerettet sind, befinden sich in unserm Heimatmuseum im Hause Rechen.

 

Auf dem einen Glasfenster sieht man ein von zwei Löwen gehaltenes und von einer dreizackigen Krone beschirmtes Wappen. Das linke Feld zeigt einen gründenden Baum, das rechte zwei Senkrechte. Der Abschluß unter dem Schild bringt einen Engelkopf. Wer der Stifter dieses Fensters war und das Wappen führte, ließ sich bis jetzt noch nicht feststellen.

Das zweite Fenster dagegen nennt die Stifterin. Wir lesen unten auf dem Mittelstück:

Die woledle hoch ehr und tugentreiche fraw Clara Mechledt Kümpfhoff deß weilandt woledle und hochgelehrter herr Heinrich Caspar Schmitz der Rechten doctor:

und der Clieffischen baubtstätten synicus anno 1680

Das Wappen über der Inschrift hat eine Lilie, auf einem Stern wachsend. Die Rahmung rundum zeigt recht hübsche Blumen und Knospen.

Stifterin dieses Fensters war die Witwe des klevische Syndikus Dr. Heinrich Caspar Schmitz, geborene Clara Mechthild Kumpsthoff. Ihr Gatte entstammte der Soester Honoratiorenfamilie Schmitz, die vier Generationen lang den kurbrandenburgischen bezw. Preußischen Großrichter zu Soest stellte. Seit dem 18. Jahrhundert galten diese Schmitz als adelig; sie haben bis Ende des 19. Jahrhunderts in Soest gesessen und bestehen heute noch. Im Wappen führte sie in Rot eine gelbe Lilie.

 

Clara Mechthild Kumpsthoff war die Tochter des märkischen Syndikus Dr. Bertram Hillebrand K u m p s t - h o f f. Er entstammte einer verbreiteten alten Honoratiorenfamilie, die wir bis auf den Hörder Bürgermeister Conrad Kumpsthoff (1446-66) zurück verfolgen können. Ihre Mitglieder waren im 16. und 17. Jahrhundert als Richter und Anwälte in verschiedenen Städten der Grafschaft Mark tätig. Die Familie führte im Wappen auf Silber drei grüne Kappusköpfe mit Strünken. Es war also ein redendes Wappen. Kumpst wurde mit dem plattdeutschen Worte Kappus übersetzt. Die Familie stammte von dem Kumphofe (Hof im Kump-Senkung) in Benninghofen bei Hörde. Dr. Bertram Hillebrand Kumpsthoff (begr. 23. 1. 1669) wohnte auf dem Freihof an der Bongardstraße. Er war vermählt mit Elisabeth von Plönies zu Offenbeck (Rittersitz im Kirchspiel Burgsteinfurt). Sein Sohn, der Syndikus Heinrich Kumpsthoff (berg. 5. 11. 1683) nannte sich „Erbgesessener zum Freihoff und zur Rodeschuir“. Er erwarb auch den neben dem Freihof gelegenen Bongardhof und den gegenüberliegenden Stodtshof und starb als ein sehr wohlhabender Mann.

 

Haben wir im vorstehenden die Schenkerin des Fensters und ihre Familie kennen gelernt, so soll uns jetzt die Frage beschäftigen: wer war der Beschenkte? Da das Fenster immer im Besitz der Familie Dahm gewesen ist und immer im Eckhaus Schützenbahn und Obere Marktstraße (heute Bongardstraße 60) angebracht war, können wir wohl annehmen, daß es als ein Bestandteil des Hauses von den jeweiligen Käufern mit übernommen worden ist. Wem hat nun das Haus zur Zeit der Schenkung im Jahre 1680 gehört? Die alten Einwohnerlisten des Stadtarchives reichen bis zu dieser Zeit nicht hinaus. Die Geschichte dieses Hauses ist in den letzten drei Jahrhunderten jedoch aus anderen Quellen zu ersehen.

 

Als die Stadt Bochum 1598 einen Nachtwächter neu verpflichtete, wurde ihm genau angegeben, wo er in der Nacht zu blasen hatte. Als eine dieser Stellen wurde bezeichnet: an Dierich Wittkenstein Hause nach der Schüttebahn hin. Dierich von Wittkenstein war Mitglied einer angesehenen Bochumer Bürgerfamilie. Das Haus gehörte später nach der Kaminsteuerliste von 1664 dem Gerichtsschreiber Rötger Sölling, der bis 1637 in Bochum tätig war und dann seinen Wohnsitz nach Dinslaken verlegte. Damals wohnte in dem Hause der Richter des Amtes Bochum Dr. jur. Georg Wilbrand Kumpsthoff zur Miete. V o n i h m o d e r s e i n e n E r b e n m u ß e s P a s t o r J o h a n n K o n r a d O s t e r m a n n e r w o r b e n h a b e n , Pastor Ostermann heiratete um 1680 die Witwe des Rechtsanwalts Dr. jur. Johann Sölling; sie war eine geborene Ursula Margarete von Wittkenstein und die Tochter des kurbrandenburgischen Geh. Rates Heinrich v. Wittkenstein und seiner Frau Adelheid geb. Hugenpoth. Die erste Ehe mit Dr. Sölling muß von kurzer Dauer gewesen sein. 1659 war er noch Student der juristischen Fakultät in Straßburg. Er starb nach 1668. Frau Pastor Ostermann starb am 26. 4. 1696 und wurde in der Pauluskirche „bei ihrem Eheliebsten selig weiland Herrn Doctor Sölling“ beigesetzt, wie ihr zweiter Mann im Kirchenbuche vermerkte.

 

Z u E h r e n d i e s e s E h e p a a r e s O s t e r m a n n muß die Witwe Schmitz das eine der beiden Fenster im Jahre 1680 gestiftet haben, sei es zur Hochzeit oder zum Neubau des Hauses.

 

Nach dem Tode des Pastors Ostermann (20. 11. 17129 ging das Haus in den Besitz des Grafen Ostermann über. Er gab seinem Neffen, dem Gogrefen (Landrichter) Bernhard Heinrich Steinweg, der seit 1726 dem Schwelmer Gericht vorstand, Generalvollmacht zur Verwaltung der Bochumer Besitzungen. Als dieser längere Zeit von den Einkünften nichts an den Grafen abführte, wandte sich Graf Ostermann beschwerdeführend an den preußischen König. Durch Anordnung von Hausarrest und vorübergehende Entfernung vom Amte wurde der säumige Sachwalter schnell zum Zahlen gebracht.

 

Nach der „Aufnahme der im Dezember 1737 in Bochum wohnhaften Familien“ bewohnte dieses Haus Nr. 133 damals der advocatus fisci (Staatsanwalt) Bürgermeister Frowein und zwar zur Miete. Dann muß das Haus von dem Grafen Ostermann verkauft worden sein, wie es auch mit den beiden anderen Häusern der Fall war. Diese wurden 1741 veräußert. Käufer war der Tabakhändler Johann Georg Kramer; auf dessen Namen wurde das Haus in dem neu angelegten Hypothekenbuch des Amtsgerichts Bochum eingetragen. Er muß das Haus aber bald wieder verkauft haben. Nach der Aufnahme der Familien der Stadt von 1763 gehörte es dem Gastwirt und Bierbrauer Detmar Mummenhoff, der das Haus zu einer Wirtschaft umänderte. Im Wege der Erbschaft kam es dann an die Familie Dahm, die es vier Generationen lang besaß, bis es 1906 abgebrochen wurde. Nach dem Kriege 1870/71 war die linke Seite des Hauses zu einem Laden umgebaut worden. Die erwähnten beiden Fenster waren bis dahin in diesem Raum als Oberlichter angebracht; dann dienten sie in gleicher Weise in einem Frontfenster der Gastwirtschaft.

 

Zu der Ostermannschen Besitzung gehörte als Nebenhaus das Haus Nr. 134 (obere Marktstraße 40). Der Graf verkaufte es 1741 an den Handelsmann und Tabakspinner Johann Georg Cramer. Mit ihm wurde die heute in mehreren Zweigen blühende Familie Cramer in Bochum mit Grundbesitz seßhaft. Bis dahin hatte Johann Georg Kramer im Hause Nr. 33 (Hellweg 1, Eigentümer war Wilhelm Surmann) zur Miete gewohnt. 1799 erwarb der Enkel, Kaufmann Friedrich Detmar Cramer, das heute noch im Familienbesitz befindliche Haus an der Propsteikirche von seinem Bruder Johann Konrad im Wege des Tausches. 1893 wurde das Haus Obere Marktstraße Nr. 40 niedergelegt. Das an der Stelle errichtete Geschäftshaus ist auch wieder vor einigen Jahren abgebrochen und auf seinem und dem Boden des alten Dahmschen Hauses der große Geschäftsneubau Bongardstraße 60 aufgeführt.

 

 

Impressum

1938 Bochum Ein Heimatbuch

 

Herausgegeben im Auftrag der Vereinigung für Heimatkunde von B. Kleff

 

Druck und Verlag

Märkische Vereinsdruckerei Schürmann & Klagges

4. Band

 

 Bochum 1938

 

(Zitierhinweis 2012)

Bernhard Kleff, Hg.: Bochum. Ein Heimatbuch. Bochum 1938. Bochumer Heimatbuch Bd. 4