Der Stand der Bochumer Stadtplanung.

Bericht in der außerordentlichen Stadtverordnetensitzung am 23. Mai 1947

 

Clemens Massenberg

(Hans H. Hanke, Bearbtg.)

 

Nach den furchtbaren Zerstörungen des letzten Krieges stehen wir vor der Aufgabe, unsere Stadt wieder aufzubauen. Die Neuordnung unserer Stadt ist nach der gründlichen Zerstörung unserer äußeren und auch inneren Werte eine der größten geschichtlichen Verpflichtungen unserer Zeit. Dieser Aufbau muß planmäßig vor sich gehen. Nach Feststellung des noch brauchbaren Vorhandenen und Anerkenntnis der Erfordernisse der Gegenwart und übersehbaren Zukunft sind fortschreitend die Grundzüge des neuen Stadtplanes aufzustellen. In Anlehnung an diese Grundlinien sind dann je nach Aufbaumöglichkeit die Einzelpläne für diejenigen Stadtteile, die als erste wieder aufgebaut werden sollen, auszuarbeiten.

Zunächst ist Klarheit über das städtebauliche Planwerk zu schaffen. Der sogenannte Bebauungsplan einer Stadt ist kein einzelner Plan, sondern ein umfangreiches und vielseitiges Planwerk, welches zudem nur zum geringsten Teil als feststehend gilt, in der Hauptsache aber elastisch gehalten und ständig den veränderten Verhältnissen angepaßt werden muß. Man unterscheidet daher auch zwischen

a) städtebaulichen Absichten, das sind die grundsätzlichen unverbindlichen großen Zielsetzungen für die fernere

Zukunft und

b) städtebaulichen Maßnahmen, das sind die verbindlichen Teile, die kurz vor der Durchführung stehen und

somit Gegenwärtiges behandeln.

Diese Unterscheidung ist auch wohl einleuchtend, wenn man bedenkt, daß der Städtebau ja die Aufgabe hat, einen Stadtkörper, ausgehend von den soziologischen, wirtschaftlichen und geographischen Gegebenheiten als einen natürlich sich entwickelnden Organismus zu gestalten und in eine sinnvolle und lebendige Beziehung zu der jeweiligen Lebensform zu bringen.

Die große Zielsetzung der Stadtentwicklung, auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet, kommt im sogenannten Wirtschaftsplan zum Ausdruck. Dieser wird auf Grund des Wohnsiedlungsgesetzes vom 22. 9. 33, welches auf Gebiete angewandt werden kann, in denen eine lebhafte Wohnsiedlungstätigkeit zu erwarten ist, aufgestellt. Das Gesetz führt die Genehmigungspflicht für den Grundstücksverkehr ein und soll der Gemeinde die Möglichkeit geben, rechtzeitig und an entscheidender Stelle die geordnete und räumliche Entwicklung zu lenken. Die Einflußnahme der Verwaltungsbehörde findet also schon statt bei Veränderung der Grundbesitz-verhältnisse durch Kauf, Tausch, Erbschaft usw., ebenso bei Veränderung der Grundstücksnutzung. Man unterscheidet nach diesem Plan Verkehrsflächen, Baugebiete, Siedlungsgebiete, Industriegebiete, Grünanlagen, forstwirtschaftliche Flächen sowie Gewässer aller Art. Dieser Plan besteht nur ineiner einzigen Ausfertigung bei der Stadtbauverwaltung und der höheren Dienststelle, dem Verbandspräsidenten, und ist streng geheimzuhalten, damit unerwünschte Spekulationen verhindert werden. An die Einzelheiten der Planfestlegungen ist zwar das Publikum, nicht aber die Behörde, gebunden, die mit Zustimmung der vorgesetzten Dienststelle Änderungen je nach Bedarf vornehmen kann. Der für die Stadt Bochum bestehende wirtschaftsplan ist seit längerer Zeit überholt.

 

Während der vorerwähnte Flächenwirtschaftsplan sich nur auf 2 Dimensionen erstreckt, nämlich die Gesamtfläche des Gemeindegebietes, behandelt der Baustufenplan lediglich die Baugebiete und deren Bebauung im einzelnen. Er ist in 3dimensionaler Richtung wirksam.

 

Der Plan regelt:

die Abstufung der Bebauung nach der Anzahl der Geschosse,

die bauliche Ausnutzung der Grundstücke prozentual zur Grundstücksgröße,

die Absonderung der Arbeitsgebiete zum Schutze der Wohnungen. Es werden unterschieden:

1. reine Wohngebiete,

2. gemischte Wohn- und Gewerbegebiete, in denen gewerbliche Anlagen zulässig sind,

3. Geschäftsgebiete, das sind die Einkaufs- und Verwaltungszentren der Städte,

4. Industriegebiete für Zechen und Werke aller Art.

 

Alle Flächen außerhalb dieser Baugebiete gelten Außengebiete, in dem zwar auch gebaut werden darf, aber nur wenn es sich um Bauten der Land-, Forst-, Wasser- oder Verkehrswirtschaft handelt.

 

Der Baustufenplan stützt sich rechtlich auf die Verordnung zur Regelung der Bebauung vom 19. 2. 36 und gilt in der Regel für einen Zeitraum von 10 Jahren. Da der Plan die Beständigkeit des Stadtbaurechtes für die bereits bebauten und während der vorgenannten Frist bebaubaren Flächen sichern soll, ist er verbindlich für Publikum und Behörde und in normalen Zeiten auch als Anhang zur Bauordnung im Handel erhältlich.

 

Es ist verständlich, daß gerade dieser Teil der Stadtplanung einer sehr gewissenhaften Bearbeitung bedarf, die längere Zeit in Anspruch nimmt. Ein gültiger Baustufenplan besteht für die Stadt Bochum nicht.

 

Während Wirtschafts- und Baustufenplan erst aus neuerer Zeit stammen, gibt es Fluchtlinienpläne bereits seit Einführung des Fluchtliniengesetzes vom Jahre 1875. Diese dient den Gemeinden jedoch lediglich als Handhabe zur Anlage und Veränderung von öffentlichen Straßen und Plätzen. Die Pläne enthalten dementsprechend die Abgrenzung zwischen den öffentlichen Verkehrsflächen und dem privaten Grundbesitz sowie die Fluchten vorhandener oder zulässiger Bauten, außerdem Angaben erschließungstechnischer Art, wie Straßenhöhe und Versorgungsleitungen. Die Fluchtlinienpläne bewirken und registrieren nach Durchführung eines komplizierten, oft mehrere Jahre andauernden Verwaltungsverfahrens den Übergang von Privatbesitz in Gemeindebesitz im öffentlichen Interesse. Fluchtlinienpläne sind nach ihrer Festsetzung für Behörde und Publikum verbindlich und können von jedermann eingesehen werden.

 

Als Grundlage für die Aufstellung von Fluchtlinienplänen dienen Bebauungs- und Aufbaupläne, das sind die Pläne, an denen augenblicklich im Stadtplanungsamt gearbeitet wird. Man versteht unter diesen Bebauungs- und Aufbauplänen die probeweise Darstellung einer erwarteten oder erwünschten Erschließung von Gelände im Grundriß und Aufriß. Diese Pläne sind wegen der dargestellten Gegenstände, Straßen, Grundstücke, Gebäude, Vor- und Hausgärten, Geländehöhen, Straßenansichten usw. anschaulicher als die vorgenannten Pläne und daher für den Laien verständlicher. Da es sich bei diesen Plänen aber in der Hauptsache um Entwürfe auf Grund vieler Annahmen und Mutmaßungen handelt, erfährt dieser Teil der städtebaulichen Arbeit bis zur rechtlich ver-bindlichen Festlegung von Teilstücken und Einzelheiten durch den Fluchtlinien- und Baustufenplan häufige Änderungen. Eine zu frühe Bekanntgabe bewirkt daher sehr leicht Enttäuschung und Zweifel an der Richtigkeit des Dargestellten beim Publikum und Mißtrauen gegenüber dem Verfasser.

 

Als Abart des Bebauungsplanes könnte weiterhin der sogenannte Umlegungsplan gelten, welcher die durch vernünftige Aufschließung von Gelände notwendigen Veränderungen an Grundstücksgrenzen und damit eine baureife Aufteilung anstrebt. Veränderungen an Grundstücksgrenzen können jedoch nur auf Grund eines für die heutigen Verhältnisse völlig ungeeignet gewordenen Umlegungsgesetzes durchgeführt werden. Zusammen-fassend muß festgestellt werden, daß von sämtlichen genannten Plänen nach Kriegsende kaum etwas vorhanden war. Dem wichtigen Aufgabengebiet der Stadtplanung ist in Bochum überhaupt nicht die Bedeutung beigemessen worden, die sie verdient. Die Kräfte, die der Verwaltung zur Verfügung standen, reichten nur aus, um die Tagesarbeit zu leisten, nicht aber um eine weitschauende, tiefschürfende Breitenarbeit auf wissenschaftlicher und künstlerischer Grundlage durchzuführen, welche andere Städte bereits vor dem Kriege vorgenommen hatten. Die Stadtverwaltung Bochum ist bestrebt, auch hier Wandel zu schaffen. Eine eigene städtebauliche Planungsabteilung unter Herrn Baurat Hellrung wurde eingerichtet. Zur freien Mitarbeit wurde Herr Professor Elkart, der viele Jahre in Bochum als Stadtbaumeister erfolgreich gewirkt hatte, herangezogen, sowie freie Ingenieure und Architekten, wie Herr Dr. Seidensticker, Herr Dorsch und Herr Krings.

 

Bei der Erläuterung des erforderlichen städtebaulichen Planwerkes könnte vielleicht der Eindruck entstehen, als ob die städtebauliche Gesetzgebung für die uns bevorstehende große Aufgabe ausreichend und lückenlos sei. Das ist jedoch leider nicht der Fall. Nach der augenblicklichen Gesetzgebung ist es nicht möglich, die besten städtebaulichen Absichten planmäßig durchzuführen. Das augenblicklich gültige Bodenrecht stellt das große Hemmnis gegen eine Verwirklichung neuzeitlicher städtebaulicher Planung dar. Die Stadtbauverwaltung schwankt daher ständig zwischen dem eigenen technischen und künstlerischen Planungsvermögen und den praktischen Schwierigkeiten der Durchführung. Neue grundlegende Änderungen des Bau- und Bodenrechtes werden in allen Parlamenten mehr oder weniger erfolgreich diskutiert. Eine Festlegung der Stadtplanung ist aber, bevor die neue Bau- und Bodengesetzgebung durchgeführt worden ist, nicht möglich. Die wichtigsten Aufgaben für die Neuordnung des Bau- und Bodenrechtes sind etwa folgende:

 

1. die städtebauliche Planung, speziell die Bebauungspläne, wirklich vollziehbar zu machen,

2. Festlegung ganzer Neuordnungsbereiche mit Bauverboten und Baupflichten an Stelle des schwerfälligen und

langwierigen Fluchtliniengesetzes,

3. die Möglichkeit, den Bedarf an Baugelände zu decken und so dem Bewerber den Zugang zum

Boden zu eröffnen,

4. das Gelände an der richtigen Stelle zur Verfügung zu stellen, nämlich da, wo es von der höheren Warte der

Planung aus für richtig gehalten wird,

5. die Bautätigkeit in ihrer Hauptmasse an die richtige Stelle zu lenken und auch hier über das Stadium der

Lückenhaftigkeit hinaus zu einer weitgehenden Vollständigkeit zu bringen,

6. die nicht bauwilligen Eigentümer aus den Baugebieten auszuschalten und ihnen dafür geeignetes Ersatzland

oder Entschädigung in Geld zu geben,

7. den bauwilligen Eigentümern, deren Grundstücke z. B. im Zuge der Wiederaufbauplanung unbebaubar

geworden sind, die für sie unbrauchbaren Grundstücke abzunehmen und ihnen an anderer Stelle brauchbares

Bauland zu geben,

8. das zur Abfindung nötige Ersatz- und Austauschland an geeigneter Stelle zu beschaffen,

9. Grundstücksumlegungen, Grundstücksbereinigungen und Zusammenlegungen zu einer juristischen Person

zum Zwecke eines großzügigen Aufbaues je nach den städtebaulichen Erfordernissen, vorzunehmen.

 

Es gilt also im wesentlichen, die Bodenhoheit der Gemeinden in möglichst hohem Maße wiederherzustellen. Für das gesamte Reichsgebiet wäre ein Rahmengesetz festzulegen. Die große Unterschiedlichkeit im Zerstörungsgrad der Städte macht aber in diesem Rahmengesetz Einzelbestimmungen durch besondere Ortsstatute erforderlich. Es ist dann auch wohl Sache der parlamentarischen Vertretung der Gemeinden, nach gutachtlicher Äußerung der übergeordneten Behörden und sonstigen Verbände, wie Wirtschaftskammer usw., über Enteignung, Umlegung usw. zu bestimmen. Es ist dringend erforderlich, daß diese Gesetzgebung bald erfolgt, da andernfalls die Gefahr besteht, daß die Entwicklung über uns hinweggeht und sich eine gewisse Unternehmerschaft, die immer auf dem Boden der Tatsachen steht, in unqualifizierter Selbsthilfe, ohne daß sie im Interesse der Gesamtheit gesetzlich gelenkt werden kann, selbständig macht.

 

Man könnte zunächst die Frage stellen, warum sind neue Pläne aufzustellen? Es ist doch das Einfachste, auf den alten Grundrissen und Fundamenten wieder aufzubauen. Vergegenwärtigen wir uns aber einen Augenblick das Stadtbild Bochums aus der Zeit vor den großen Zerstörungen. Zahlreiche Bauten waren vorhanden, die als Einzelwesen in ihrer architektonischen Erscheinung erfreulich waren. Wir hatten aber auch eine große Zahl von Bauwerken in unserer Stadt, die häßlich, ungesund und unpraktisch, die als reine Ausbeutungsobjekte errichtet worden waren. Die Überbauung der Grundstücke war viel zu dicht. Die Grundbesitzverhältnisse zeigten eine vielfach aus dem Mittelalter übernommene Verschachtelung. Ganze Stadtteile ließen die primitivsten Forderungen nach Licht, Sonne, Luft und Grün außer acht. Die Verkehrsbedürfnisse der letzten Jahrzehnte waren unberücksichtigt geblieben. Nicht einmal die Hauptverkehrsstraßen entsprachen noch den Erfordernissen unserer Zeit. Die Eisenbahn- und Bahnhofsverhältnisse waren höchst unvollkommen. – Von einer einheitlichen äußerlichen Erscheinung bezüglich Massengestaltung, Ausbildung der Fassaden, Verwendung des Materials konnte keine Rede sein. Eine Abstimmung und Rücksichtnahme der Bauten aufeinander fand in keiner Weise statt. Eine einheitliche planmäßige städtebauliche Anlage war nicht vorhanden. Eine vorherrschende Grundidee war nicht zu erkennen. Ein solches, uns nicht mehr entsprechendes Gebilde wieder erstehen zu lassen, wäre ein Zeichen von Kraftlosigkeit und Resignation.

 

Infolge unserer wirtschaftlichen Armut und der großen Wohnungsnot sind wir vorerst noch gezwungen, ausbaufähige Ruinen ihrer alten Form entsprechend mehr oder weniger wieder aufzubauen. Im Interesse der notwendigen schnellen Wiederingangsetzung unserer Wirtschaft müssen wir uns darauf beschränken, möglichst viel von dem Bestehenden zu retten, das Erhaltbare unter Anpassung an die neue städtebauliche Planung zu flicken. Das bedeutet für den Wohnungsbau Wiederherstellung bis zu 40 %‚ gegebenenfalls vielleicht sogar bis zu 60 % zerstörter Ruinen. In den Fällen, wo sie der notwendigen städtebaulichen Entwicklung entgegenstehen, sind entsprechende Auflagen und Verträge abzuschließen. Für gewerbliche Bauten bedeutet das Ausbau in provisorischer Form oder in Formen, die später einen endgültigen Ausbau entsprechend den städtebaulichen Absichten ermöglichen. Die Entscheidungen über diese Maßnahmen, die die Notzeit jetzt und auch wohl noch in den nächsten Jahren von uns unmittelbar verlangt, sind im Hinblick auf die zukünftige und endgültige Gestaltung außerordentlich schwer. Wir sind uns in jedem Falle klar, daß es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelt und werden das große Ziel der Neugestaltung nicht aus den Augen lassen. Wir sind uns klar darüber, daß eine endgültige Wiederherstellung alter architektonischer Teile nicht in Frage kommt. Sie wirkt immer unecht und hat etwas von Filmarchitektur an sich. Sie ist einer Zeit, die Eigenwert besitzt, unwürdig. Bei den zerstörten Wohnhäusern handelt es sich größtenteils um Bauten der Gründerzeit, die unserer heutigen modernen Denkungsart völlig fernstehen. Betrachten Sie bitte den Grundriß eines modernen Siedlungshauses unserer Zeit, in dem kein überflüssiger Raum vorhanden ist, in dem jede Nische wohl überlegt ausgenutzt ist, in dem jeder Wohnraum, jede Einrichtung ihren natürlichen praktischen Platz findet, das gut durchsonnt und durchlüftet ist und halten Sie dem gegenüber die viel zu hohen, düsteren Wohnungen der protzigen Mietskasernen der Gründerzeit. – Unsere hochentwickelte Technik schafft Autos, Lokomotiven, Schiffe, Flug-zeuge, Raketen formschön und in ihrer Zweckmäßigkeit auf den letzten Zentimeter berechnet.

 

Unsere Umwelt änderte sich von Grund auf nur unsere Mietshäuser behielten ihre Häßlichkeit, ihre Verlogenheit, sie blieben unpraktisch und unrationell. Die moderne Technik wird aber fortschreitend auch das Gesicht des neuen Bauens beeinflussen, um so mehr, wenn es sich um eine aus der Technik geborene Indus- triegroßstadt wie Bochum handelt. Die Technik an sich ist ohne Gesicht, Gefühl, Gehör, aber ihr Verfahren und ihre Wirkung ist mächtig. Ein tiefer und ursprünglicher Quell der Gestaltung ist aus ihr bereits hervorgebrochen, aber wir vermögen nur erst zu ahnen, welche großen Dinge sich begeben werden, wenn in das technische Werk der ganze baukünstlerisch schaffende Mensch eintreten wird, nicht nur um zu verzieren und hier und da ein paar klassizistische Reminiszenzen anzupappen, sondern um die ganze Schaffenskraft der fühlenden Hand, des sehenden Auges einzusetzen. Ein neues Raum- und Proportionsgefühl, beeinflußt von den großen Möglichkeiten der modernen Baustoffe Stahl und Stahlbeton, ist in der Entwicklung begriffen.

 

Die moderne Technik kann allein noch keinen neuen Stil machen. Es ist abwegig, ängstlich und ungeduldig, auf die Entstehung eines neuen Stils zu warten. Der neue Stil erwächst aus dem einheitlichen Zusammenwirken der Kräfte aller Geistesgebiete. Damit ist es gegenwärtig noch recht kümmerlich bestellt. Die geheimnisvolle Übertragung unseres modernen technischen Lebensgefühls in die Materie des Bauwesens ist nach schweren Rückschlägen nur in Andeutungen vorhanden. Ihre ganze Auswirkung ist aber unsere Hoffnung. Wir wollen jetzt danach trachten, die gröbsten früheren Mängel zu vermeiden, aber vor allem die Möglichkeit offenlassen, der erwarteten großen geistigen Entwicklung des modernen Zeitalters in unseren Bauten Ausdruck zu geben

 

Für den Städtebau gibt es kein allgemein gültiges Schema; die Vorbedingungen und Aufgaben sind nieder Stadt verschieden. Die äußere Erscheinung kristallisiert sich in jeder Stadt zu einer anders gearteten Ausdrucksform. Ein uniformes Schema als Ausdruck des seelenlosen, pathetischen, gewaltsamen Parteigeistes und Militarismus sollte in den vergangenen Jahren den meisten deutschen Städten und auch Bochum aufgezwungen werden. Die Motive waren endlose Achsen, überdimensionale Aufmarschstraßen, rechtwinkelige Formen, paradiert durch strammstehende Säulenreihen; das Schema der Achse wurde in der Zeit des Nationalsozialismus ad absurdum geführt. Es werden auch jetzt wieder für viele Städte mit großem Aufwand auf Grund irgendwelcher unbewiesener Behauptungen unter Verwendung modischer Schlagworte schematische Stadtpläne aufgestellt, die jeder Möglichkeit der Ausführbarkeit entbehren und nur als utopische Gebilde zu betrachten sind. Es ist sinnlos, z. B. unter Verwendung des Gittersystems, nach dem in Mode gekommenen Schema der “Bandstadt”, das sich vielleicht für eine Stadt wie Stalingrad bewährt hat, für Berlin eine abgeschlossene Stadtplanung aufzustellen, für eine Stadt, die in langer historischer Entwicklungszeit ein entgegengesetztes Prinzip, nämlich ein auffallend glückliches, lückenloses Sterngebilde entwickelt hat. Derartige theoretische Reißbrettplanungen sind für den Städtebauer interessant und verblüffen das Publikum im ersten Augenblick. Für Bochum werden derartige aufwendige Experimente vermieden.

 

Es ist notwendig, das für jede Stadt natürliche Schema zu finden, die ihr innewohnende natürliche Tendenz zu erkennen. So wird jede Stadt ihre eigene Form finden. Die Stadtgestaltung wird meiner Ansicht nach von folgenden Faktoren beeinflußt:

 

1. der der Stadt eigenen besonderen Grundidee,

2. von dem allgemeinen geistigen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gefüge der Zeit,

3. der Lage der Stadt und der sich daraus ergebenden Beziehung zur Umgebung und den damit

zusammenhängenden Verkehrsverhältnissen,

4. der Oberflächengestaltung des Geländes,

5. den Bodenschätzen und der damit zusammenhängenden Wirtschaftsstruktur,

6. den erhalten gebliebenen unter- und oberirdischen Bauten,

7. dem historisch gewachsenen Siedlungsschema.

Der erste Faktor für die Bildung des Gesichtes einer Stadt ist die ihr eigene spezielle Grundidee. Der Grundgedanke für Bochum könnte z. B. sein, Ausgleich von schwerster Arbeit und Kultur, Brücke vom Werktag zum Sonntag des menschlichen Lebens, Versöhnung und Heiligung [sic!] des modernen werktätigen Arbeitsmenschen. Der Werktätige findet in den Tempeln der Bühne, der Plastik und Malerei, der Musik, der musealen Sammlungen, der wissenschaftlichen Vorträge, der religiösen Andacht seinen Hunger nach Erkennt-nis, Wahrheit und Schönheit gestillt. – Das Fehlen einer derartigen idealistischen Eigenidee würde zu der Seelenlosigkeit des Städtebauwesens des 19. Jahrhunderts führen, das seine Grundlage vorwiegend in dem Streben fand, im freien Spiel der Kräfte des Liberalismus möglichst hohen materiellen Profit zu erlangen.

 

Weiterhin wird das Stadtgefüge von der allgemein vorherrschenden Idee der Zeit und der damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Ordnung bestimmt. Sind diese Bewegungen im jetzigen Zeitpunkt überhaupt zu überblicken? Die kommende gesellschaftliche Ordnung, die starke sittliche Idee, das exakte geistige Bild unserer Zeit hat sich noch nicht kristallisiert. Das eine steht für uns jedenfalls fest, die sogenannten normalen Zeiten von vor 1914 kehren niemals wieder, ebenso wenig wie der Einzelmensch in seinem Leben etwas wiederholen kann und sein Wunsch nach Wiederherstellung einer früheren Lage lediglich eigener Schwäche und dem Angstgefühl vor der Zukunft entspringt.

 

Das große Leid, das wir durchgemacht haben und noch durchmachen müssen, die große Armut, in der wir uns befinden, ist kein Grund für Resignation und Verzweiflung in kultureller Hinsicht. Diese Erschütterungen können uns zu innerer Größe, Einfachheit und Klarheit führen. Die großen Neuformungen sind nie das Reservat der Satten und Reichen gewesen. – Das reiche Deutschland entwickelte nach dem siegreichen Kriege von 1870/71 Städte von beispielloser Seelenlosigkeit und Häßlichkeit. Dagegen wurde z. B. eine Stadt wie Magdeburg nach der größten Katastrophe der deutschen Geschichte, nach dem 30jährigen Kriege 1648 völlig neu und für Jahrhunderte gültig und richtungweisend aufgebaut.

 

Die kommende gesellschaftliche Ordnung ist erst im Werden begriffen. Die noch unklaren Verästelungen, die unübersichtlichen weltpolitischen Verflechtungen lassen im gegenwärtigen Zeitpunkt ein klares Ziel noch nicht erkennen.

 

Ein Stadtplan als abgeschlossenes Ganzes, endgültig für die nächsten Jahrhunderte, kann daher in der Gegenwart von niemandem aufgestellt werden. Wir können nur einzelne Grundgedanken festlegen, wobei alle für die Zukunft vorhandenen Möglichkeiten elastisch und umwandelbar offengehalten werden müssen. Schrittweise werden wir uns der Gesetzmäßigkeit unserer Zeit und der erkennbaren Entwicklungsrichtung anpassen und danach jeweils Endgültiges festlegen.

Für die Entstehung eines schönen, klaren, geordneten, beseelten Stadtbildes ist eine starke lebendige Weltanschauung und eine festgefügte Gesellschaftsordnung Vorbedingung. Für die Gesamterscheinung der Stadt tragen daher keineswegs nur die Städtebauer, Architekten und Bauingenieure die Verantwortung; ebenso verantwortlich sind die Politiker, die Volkswirtschaftler, Juristen, ja die ganze Bevölkerung.

 

Das gilt sowohl in geistig kultureller Beziehung wie auch in rein wirtschaftlich materieller. Die Aufgabe des Städtebaues erschöpft sich ja nicht darin, die Fassade, Einzeleindrücke, idyllische Motive oder irgendwelche verblüffende Effekte auszuarbeiten, es kommt auf die Durchbildung des Gesamtraumes an, der von dem organisierenden Gemeinschaftsgeist der ganzen Bevölkerung beseelt ist – es muß ein Gemeinschaftskunstwerk entstehen.

 

Die Stadt des Mittelalters stellt ein derartiges Kunstwerk dar. Sie war in überzeugender Weise der vollendete Ausdruck der geistigen und wirtschaftlichen Kultur ihrer Zeit. Sie war ein beseeltes Wesen, ein sinnvoll gegliederter Körper, eine Ganzheit, der nichts Zufälliges anhaftete. Als Stadtkrone lag in beherrschender Lage und überwältigender Gestaltung der Dom als Zeichen der alle Wissensgebiete und alle menschliche Tätigkeit beherrschenden und durchdringenden Religiosität. Ringsum gruppierten sich, auch in ihrem baulichen Äußeren vielfältig, je nach ihren Werten und Zielen abgestuft, die Bauten der Diesseitigkeit, des Alltags. Die Gruppierung der Zunfthäuser um den Markt, die Abstufung bezüglich Breite und Länge der den verschiedenen Gewerbebetrieben zugewiesenen Straßen und Gassen brachte die klare zunft- und rangmäßige Gebundenheit des Mittelalters zum sprechenden Ausdruck, das Ganze ein Gebilde von Geschlossenheit und Harmonie. –

Hierbei fällt einem das schöne Gleichnis, das Goethe einmal brauchte, ein. Er denkt sich Orpheus, den göttlichen Musikanten, der durch die Töne seiner Leier die Steine herbeilockt und sie zwingt, sich zu harmonischen Massen zu fügen. Die Töne verhallen, aber die schöne Harmonie bleibt. Die Bürger einer solchen Stadt wandeln zwischen ewigen Melodien, sie fühlen sich am gemeinsten Tag in einem idealen Zustand.

 

Die Stadtgestaltung ist maßgebend von ganz konkreten Faktoren abhängig. Dazu gehört die Lage der Stadt und ihre Beziehung zu den ländlichen Teilen, den großen Nachbarstädten und Verkehrseinrichtungen. Hierdurch ist die Verkehrsführung innerhalb der Stadt auf Straßen- und Schienenbahnen bedingt. Bochum liegt im Schnittpunkt zweier Straßen. Von Norden über Münster, Recklinghausen kommend, verläuft die eine über Hattingen, Frankfurt a. M. nach Süden, die andere von Westen über Essen nach Osten über Dortmund und Soest. Auch weitere wichtige Verkehrsstraßen münden in die Stadt ein. Selbstverständlich sollen nicht alle Radialstraßen an einem Punkt zusammengeführt werden, nur die beiden Haupttransversalen sollen in großstädtischer Breite durch die Stadt geführt werden. Die weniger bedeutenden münden in diese beiden Hauptstraßen ein. In diese wieder münden die untergeordneten Straßen, so daß ein abgestuftes Verkehrsgerippe entsteht, ähnlich dem Adersystem des Blutkreislaufs in einem organischen Körper. Um den Straßenknotenpunkt zu entlasten und den Verkehr zwischen den Ausfallstraßen zu ermöglichen, ist ein Innenring vorgesehen. Um den Überlandverkehr, der Bochum nicht berührt, von der Innenstadt fernzuhalten, wurde auf Veranlassung des Ruhrsiedlungsverbandes in west-östlicher Richtung der Ruhrschnellweg angelegt. Ihm entspricht in nord-südlicher Richtung die noch auszubauende Verbandsstraße NS 7 im Zuge der Straßen Riemker Straße, Scheerstraße, Gersteinring, Ziegelstraße, Krümmede, Buselohstraße, Steinring, Königsallee und Kemnader Straße, wobei die jeweils fehlenden Straßenstücke neu zu projektieren sind.

 

Zur Verbindung der Außenstadtteile untereinander ist eine Außenringstraße im Zuge der Buseloh-, Wasser- und Kohlenstraße und Ruhrschnellweg vorgesehen.

 

Bochum besitzt ein gut angelegtes System von Verkehrsstraßen, die von der Innenstadt aus strahlenförmig nach allen Richtungen verlaufen. Außerdem sind Ansätze zu verschiedenen Ringstraßen für die Umleitung, Sammlung und Verteilung des Verkehrs vorhanden. Gegen den Überlandverkehr ist die Innenstadt durch Schnellverkehrsstraßen abgeschirmt. Diese brauchbaren Teile sollen allmählich zu einem lückenlosen Radial- und Ringstraßensystem ausgebaut werden. Dieses als Gerippe für die weitere Stadtplanung bis in alle Einzelheiten durchzuarbeiten, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Stadtplanung. Während die beiden Verbandsstraßen, Schnellverkehrsstraßen und als solche auch nur nach dem Gesetz der Schnellverkehrstechnik auszubilden sind, haben die Hauptstraßen, die in und durch den Stadtkern führen, nicht diesen Charakter. Es ist nicht Aufgabe dieser Straßen, die in die Stadt hineinführen, diese zu zerschneiden und den Besucher so schnell wie möglich wieder hinauszuführen.

 

Die Dimensionierung in der Breite geschieht nach der mutmaßlichen Verkehrsdichte. Bei der Ausbildung dieser Straßen ist es nun nicht Aufgabe, lediglich die errechenbaren Ergebnisse der Verkehrstechnik in die Tat umzusetzen. Wir wollen neben zweckmäßigen auch schöne Straßen und Platzräume schaffen. Hier verhält es sich wie allgemein mit der Technik, die Materie erscheint nur befriedigend geformt, wenn eine Paarung von künstlerischem Gefühl mit dem verstandesmäßigen technischen Geist stattgefunden hat; Beispiele solch beglückender beseligender Paarung von moderner Technik und künstlerischem Gefühl sind die Fabrikbauten von Peter Behrens oder von meinem Lehrer Hans Poelzig. Dazu gehört auch die wunderbare, nun leider zerstörte neue Hängebrücke über den Rhein bei Köln. Die in diesen Bauten spürbare glückliche Beseelung fehlt dann, wenn die nur mit dem Verstand arbeitende Technik die Mitwirkung des Gefühls ausgeschlossen hat. Die Ideen von der Ästhetik der rein materiellen Zweckmäßigkeit sind überholt. Die vom Mathematiker betrachtet eleganteste statische Berechnung hätte zu ästhetisch wenig befriedigenden Formen geführt. Nur die Mitwirkung eines empfindsam künstlerischen Gefühls hat diese, so in glücklicher Weise zweckmäßige wie ästhetisch vollendete Anlage entstehen lassen.

 

Erheblichen Anteil an der Bewältigung des Nahverkehrs hat die elektrische Straßenbahn. Das bezieht sich besonders auf die nördlich und nordwestlich sowie die südlich der Stadt gelegenen Nachbarorte, da die Eisenbahnverbindung zu diesen Orten außerordentlich schlecht ist. Die augenblicklichen Straßen-bahnverbindungen leiden unter einer zu langen Fahrzeit infolge zu zahlreicher Haltstellen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt nur 13,6 km pro Stunde. Für den normalen Zubringerverkehr der Berufstätigen wäre die Einrichtung eines Straßenbahnschnellverkehrs erwünscht. Um die Innenstadt von dem starken Fahrverkehr zu entlasten, wird angeregt, sämtliche von den radialen Ausfallstraßen ankommenden Straßenbahnlinien über den vorgesehenen Innenring zu führen. Das erscheint ohne weiteres tragbar, da zu Fuß die weiteste Entfernung innerhalb der Innenstadt zum Innenring nur ca. 5 Minuten beträgt. Bei der schlechten Verbindung der Außenbezirke untereinander und der starken Dezentralisation der großen Industriebetriebe um das eigentliche Stadtgebilde herum ist eine Verbindung dieser Außenbezirke bzw. Industrieanlagen unterein-ander anzustreben. Es liegt daher nahe, auf dem Außenring Obuslinien verkehren zu lassen.

 

Die Eisenbahn- und Bahnhofsverhältnisse sind in Bochum besonders ungünstig. Im Rahmen der städtebaulichen Planung müssen die eisenbahntechnischen Pläne bevorzugt werden, denn die Eisenbahnanlagen sind wegen ihrer großen Ausdehnung und wegen der Starrheit ihrer technischen Bedingungen, z. B. der großen Krümmungs-halbmesser, der geringen Steigungsfähigkeit, die am schwersten in den Stadtplan einzupassenden Baukörper. Ihre der Öffentlichkeit dienenden Anlagen – Empfangsgebäude und Ortsgüteranlagen – sind wichtigste Anziehungspunkte für den innerstädtischen Verkehr. Sie bestimmen daher maßgeblich die mit ihnen in Verbindung stehenden Straßensysteme und das Straßenbahnnetz als das auf lange Zeit noch wichtigste städtische Massenverkehrsmittel. Sie formen den Charakter der benachbarten Stadtviertel, wirken andererseits aber oft hemmend auf das Wachstum der angrenzenden Stadtteile.

Die Schnittstellen zwischen Bahn und städtischen Verkehrswegen – Über- oder Unterführungen – bedürfen besonders sorgfältiger Gestaltung, damit sie nicht zu Engpässen des Straßenverkehrs werden.

Das Erschließen von Industriegelände jeder Art setzt von vornherein eine günstige Lage zum Eisenbahnnetz voraus.

 

Will die Stadt Bochum einen wirkungsvollen und guten Wiederaufbauplan ihrer künftigen Arbeit zugrunde legen, so müssen wegen dieser vielfachen gegenseitigen Wechselwirkung die Fragen der Reichsbahnanlagen als erstes festgelegt sein. Über sie muß Einverständnis mit der Reichsbahn erzielt werden. Denn letztere ist nicht nur an die örtlichen Gegebenheiten unserer Stadt gebunden, sie wird vielmehr entsprechend ihrer über weitere Räume wirkenden Aufgabe übergemeindliche Gesichtspunkte und Fragen der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit ihres Netzes berücksichtigen müssen. Andererseits ist sie selbst auch an den Planungsarbeiten der Stadt interessiert, damit ihr nicht spätere Erweiterungsmöglichkeiten verbaut werden. Hat die Reichsbahn ihre Entwurfsarbeiten abgeschlossen, können die Fluchtlinien ihres Raumbedarfs und die erforderlichen Höhenordinaten festgelegt werden. Die zuständige Reichsbahndirektion muß vor ihrer endgültigen Zustimmung das grundsätzliche Einverständnis ihrer vorgesetzten “Hauptverwaltung der Eisenbahnen” einholen. Erst dann kann der Plan der Reichsbahnanlagen innerhalb der Stadt endgültig festgelegt werden. Auf seiner Grundlage lassen sich die allgemeinen Bebauungs- und Wiederaufbaupläne festlegen.

 

Den größten Anteil am Güter- und Personentransport hat im Bochumer Gebiet die Eisenbahn. Für die Entwicklung des Wirtschaftslebens und damit die ganze Zukunft der Stadt ist die Verbesserung der Bahnanschlüsse von ausschlaggebender Bedeutung. Ein enger, leistungsfähiger Anschluß an alle Zentren des Ruhrgebiets und die europäischen Fernverkehrslinien ist erforderlich. – Es ist dabei zu bedenken, daß unser Wirtschaftsgebiet einen sehr hohen Umschlag gerade an Massengütern aufweist, als da sind: Kohle, Koks, Eisen, Stahl, Düngemittel, Erz, Schrott, Kalk, Holz, Kartoffeln. Wir sind ein Gebiet mit hohen Überschüssen. Im Jahre 1929:

Empfang: 3 Mill. t Wagenladungen

Versand: 10,3 Mill. t Wagenladungen

Wir hatten schon gesehen, daß die Oberflächengestaltung im Bochumer Raum für die Bahnverbindungen ungünstig ist. 3 Verkehrsstraßen haben sich entwickelt: 1. im Ruhrtal, 2. Emschertal, 3. Gebiet der Wasserscheide.

 

Das Ruhrtal mit seinen zahlreichen Windungen und steilen Abhängen ist wenig günstig. Hinzu kommt, daß

gerade hier der Bereich der unbedeutenden, mehr und mehr unrentabel werdenden Magerkohlenzechen ist.

 

Das breite Emschertal mit flachen Ufern und geradem Lauf ist der Verkehrsentwicklung sehr günstig.

Zudem ist es der Bereich der leistungsfähigsten Zechen. 4 West-Ostlinien, die der Köln-Mindener,

Bergisch-Märkischen, Rheinischen und Westfälischen Eisenbahngesellschaft wurden gebaut. Damit wurde

das Emschertal zur leistungsfähigsten Verkehrsader des Gebietes. Sie verläuft über Wanne-Eickel, Herne,

Castrop-Rauxel 2 - 2,5 km nördlich der Stadtgrenze vorbei. Ein großer Teil der Zechen und Werke unseres

Stadtgebietes ist mit seinen Privatanschlüssen an diese Linie angeschlossen.

 

Die Linie auf der Wasserscheide führt durch das Bochumer Kernstadtgebiet. Wegen der zu überwindenden

Steigung ergeben sich höhere Transportpreise. Die Strecke hat den Vorteil der kürzeren Verbindung

zwischen Essen und Dortmund. Die Nord-Süd-Verbindungen durch das Bochumer Gebiet sind besonders

schwierig, da Höhen bis zu 80 m zwischen den beiden Talsohlen überwunden werden müssen. Daher sind

erst große Umwege erforderlich und viele Städte werden überhaupt nicht berührt. Wuppertal ist z. B. nur

über den Umweg Steele - Kupferdreh und Steele -Hattingen erreichbar, Strecken, die nebenbahnartigen

Charakter haben und teilweise nur eingleisig ausgebaut sind. Den Verkehr mit den nördlichen

Emscherstädten vermittelt nur die als eingleisige Nebenbahn angelegte, völlig überlastete Linie Bochum-

Nord - Wanne-Eickel. Diese Strecke ist nach Süden über Langendreer – Witten - Hagen weitergeführt. Eine

unmittelbare Verbindung mit Herne, Gelsenkirchen und Hattingen fehlt überhaupt. Das ist um so

schwerwiegender, als der zwischengemeindliche Berufsverkehr für Bochum von größter Bedeutung ist. Die

Zahl der in Bochum beschäftigten Auswärtigen übersteigt die der auswärts arbeitenden Bochumer

beträchtlich. Das ist nun um so stärker geworden, als die Wohngebiete Bochums stark zerstört sind und

viele Werktätige in Nachbarorten Wohnung nehmen mußten, denn die Bochumer Industrie ist weitgehend

intakt geblieben. Bei der stark dezentralisierten Siedlungsform des Gebietes ist der Nahverkehr aber auch in

kultureller Hinsicht von größter Bedeutung. Städte wie Bochum haben sich auch zu kulturellen Mit-

telpunkten herausgebildet. Nur an solchen wenigen Konzentrationspunkten können hochwertige Theater,

Konzerte und wissenschaftliche Veranstaltungen durchgeführt werden. Dasselbe gilt für hochstehende

Spezialschulen, an denen erstklassige Lehrkräfte angestellt werden. Durch leistungsfähigere

Nahverbindungen könnten bei den verhältnismäßig geringen räumlichen Entfernungen auch die Nachbarge-

meinden stärker an diesen Vorteilen teilhaben. Auch der Nahverkehr, besonders in nord-südlicher

Richtung, ist noch völlig unzureichend.

 

Um den bestehenden Mängeln abzuhelfen und die Arbeiten voranzutreiben, wurde bereits wenige Monate nach dem Zusammenbruch 1945 mit der Reichsbahndirektion Essen Fühlung aufgenommen. Neben Entwurfsarbeiten der Reichsbahn wurden auch von unserer Planungsabteilung einige Vorschläge in ganz allgemeiner. Form durch-gearbeitet. Sie sollten der Reichsbahn die Gedanken der städtischen Bauverwaltung näherbringen und ihre Durchführbarkeit erweisen. So sollte die Diskussionsbasis erweitert werden, um hieraus die für beide Teile auf die Dauer beste Lösung zu finden.

 

Die Pläne, die hiesigen Bahnanlagen zu verbessern, gehen bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurück. Um das Ende der zwanziger Jahre erhielten die Planungen der Reichsbahn durch die Aufnahme des “Ruhrschnellverkehrs” einen neuen Antrieb. Der Ruhrschnellverkehr ist ein beschleunigter Nahverkehr mit möglichst zu verdichtender Zugfolge. Um ihn glatt zu bewältigen, war der Ausbau eines neuen Gleispaares zwischen Köln und Dortmund vorgesehen. Im hiesigen Gebiet wurde mit den Bauarbeiten, die keine Änderung der alten Bahnhofsanlage vorsahen, kurz vor Kriegsanfang begonnen. Die Zerstörungen, die uns der letzte Krieg hinterlassen hat, gaben Anlaß, die alten Planungen zu prüfen und zu verbessern. Die Gelegenheit zu einer solch großzügigen Umgestaltung wie heute, weitgehend losgelöst von Rücksichten auf Bestehendes, muß genutzt werden. Es müssen die heutigen Mängel erkannt, aber auch die möglichen verkehrlichen Bedürfnisse der Zukunft als Grundlage ermittelt werden.

 

Zunächst seien im Folgenden die wesentlichen Mängel kurz zusammengestellt. In städtebaulicher Hinsicht sind dies:

1. Besonders die bergisch-märkische Strecke, aber auch die rheinische und Gußstahl-Strecke behindern die Geschäftsstadt (Innenstadt) in ihrer Ausdehnungsmöglichkeit und sind Ursache für deren Überbevölkerung.

2. Das Gebäude des Hauptbahnhofs und sein Vorplatz sind schon für den Vorkriegsverkehr viel zu klein und eng gewesen. Sie haben längst nicht mehr der Bedeutung der Stadt Bochum entsprochen.

3. Die Unterführungen der Hattinger und Wittener Straße sind für ihre starke Belastung völlig unzureichend, also zu eng. Sie bieten zahlreiche Gefahrenpunkte für die Verkehrsteilnehmer.

4. Die Einmündung der innerstädtisch bedeutsamen Königsallee in die Hattinger Straße mit einem rechten Winkel über die Kronenstraße ist städtebaulich verfehlt und verkehrsmäßig unhaltbar.

 

In eisenbahntechnischer Hinsicht folgen:

5. Das Fehlen eines Zentralbahnhofes, also eines wirklichen Hauptbahnhofes, der den Reiseverkehr beider Strecken in den wichtigsten Beziehungen zusammenfassen und den Umsteigeverkehr von der Nord-Süd- auf die Ost-West-Verbindung von Langendreer nach Bochum zurückverlegen würde.

6. Das Fehlen einer unmittelbaren Verbindung mit der Nachbarstadt Gelsenkirchen. Hierdurch ist auch bedingt, daß Bochum nur zu etwa 60 % am Verkehr der Fernreisezüge beteiligt ist, während der Rest über Oberhausen – Gelsenkirchen – Herne – Dortmund geleitet wird.

7. Das Fehlen einer durchgehenden guten Nord-Süd-Verbindung, etwa auf der Linie Münster – Recklinghausen, Bochum – Wuppertal.

8. Unzureichende Anlagen für einen einwandfreien Ruhrschnellverkehr, besonders das Fehlen eines zweiten Gleispaares für Reisezüge zwischen Hauptbahnhof und Langendreer.

9. Starke Steigungen auf beiden Strecken.

10. Zahlreiche, die betriebliche Leistungsfähigkeit der Anlagen mindernde innerbetriebliche Mängel.

 

Für die Neubearbeitung mußte gefordert werden, diese Mängel, soweit irgend vertretbar, zu beseitigen.

Soweit eine Verlegung des neuen Bahnhofs in Frage kommt, darf die Entfernung zur Geschäftsstadt sich nicht wesentlich ändern. Die noch bestehenden Gebäude müssen wegen des Mangels an Wohn- und Geschäftsraum möglichst geschont werden. Die Straßenbreiten sollen bei der Wittener und Hattinger Straße 32 m betragen, die Steigungen möglichst 1:35 nicht unterschreiten. Die Reichsbahn fordert Krümmungshalbmesser von 1200 m und Steigungen möglichst nicht über 1:120 bei 6 – 800 m Länge.

 

Nach den Planungen der Reichsbahn, die schon seit rund 20 Jahren bestehen, soll das neue Gleispaar für den Nah-(Schnell-) Verkehr zwischen Bochum und Essen über Gelsenkirchen geleitet werden. Hierfür ist ein Verkehrsband (V 45) durch den Ruhrsiedlungsverband schon vor Jahren festgelegt, das aus der bergisch-märkischen Strecke am Westende des heutigen Verschiebebahnhofs nach Norden abzweigt. Das Gleispaar wird bis zu den Bahnsteigen, deren Zahl mit 4 vorgesehen ist, selbständig durchgeführt. Von der Strecke nach Gelsenkirchen zweigt eine Verbindung nach Wanne-Eickel ab, die der künftige Nord-Süd-Verkehr benutzen wird. Für den Ortsgüterbahnhof wird einheitlich das Gelände südlich der bergisch-märkischen Strecke zwischen Hattinger und Dibergstraße vorgesehen. An der rheinischen Strecke sind, außer beim Entwurf “Zentralbahnhof” keine Änderungen vorgesehen, während die bergisch-märkische Strecke um ein Gleispaar für Reisezüge verstärkt wird.

 

Für den neuen Hauptbahnhof bieten sich zwei Lösungen, wenn der Gedanke, den Reiseverkehr der beiden wichtigen Strecken in den wichtigsten Beziehungen zusammenzufassen, beibehalten wird.

 

1. Lösung. Ein Zentralbahnhof dort, wo sich beide Strecken östlich der Stadt berühren, also etwa im Raum östlich des Bahnhofs Bochum-Nord.

2. Lösung. Verlegt man die Gabelung beider Strecken längs der bergisch-märkischen Bahn weiter nach Westen und stellt, etwa über die vorgesehene Gleisverbindung nach Gelsenkirchen, eine Verbindung zur rheinischen Strecke her, so erhält man die Möglichkeit, einen Hauptbahnhof in günstiger Lage zur Stadt an der bergisch-märkischen Bahn anzuordnen. Ob hierbei die rheinische Strecke über Präsident und Nord noch weiterhin für den Berufsverkehr betrieben wird, kann hierbei später entschieden werden.

Für diese zweite Lösung ergeben sich zwei Varianten:

a) Herausrücken der Trasse vom Stadtkern fort nach Süden (Südstrecke), um die Geschäftsstadt aufzulockern,

b) eine Linienführung in Anlehnung an die heutige Strecke (Nordstrecke).

 

Für die Entwicklung dieser Gedanken war folgende Betrachtung maßgebend. Das Gelände steigt von Norden nach Süden an. Man erhält also die beste Führung der Straßen, wenn man sie in Geländehöhe verlaufen läßt und vom ursprünglichen Schnittpunkt der Bahnachse mit der Straße, der in Geländehöhe lag, die Eisenbahnachse soweit tal-oder bergwärts verschiebt, daß ein ausreichender Höhenunterschied für eine Straßenunter- bzw. Überführung vorhanden ist. Hieraus ergibt sich für den Bahnkörper die Lage auf dem Damm bzw. im Einschnitt.

 

Beim Entwurf Zentralbahnhof liegt das Bahnhofsgebäude etwa 350 m östlich des heutigen Nordbahnhofs, im Zwickel der beiden Bahnstrecken mit der Front nach Westen. Zur Bedienung der Südweststadt ist an der bergisch-märkischen Strecke, etwa an der Bessemerstraße, ein weiterer Haltepunkt vorgesehen. Beim Zentralbahnhof bereitet der große Höhenunterschied zwischen beiden Strecken (etwa 7,50 m) Schwierigkeiten in der Bearbeitung. Zugänge zu den Bahnsteigen können daher nur mit “verlorener Steigung”, also bei ver-schiedener Höhenlage vom Bahnhofsvorplatz und Bahnsteigtunnel, vorgesehen werden.

Die Güterzugstrecke zwischen Nordbahnhof und Weitmar muß fortfallen. Für den Güterzugbetrieb von und nach dem Verschiebebahnhof Langendreer ergeben sich eisenbahnbetrieblich ungünstigere Verhältnisse als heute.

Für die Steigungsverhältnisse ergeben sich betrieblich und betriebskostenmäßig gewisse Vorteile dadurch, daß der Bahnhof vor statt bisher hinter dem Gefälle zu liegen kommt. Baulich vereinfacht sich der Entwurf gegenüber dem später zu behandelnden durch Fortfall der Gelsenkirchener Gleisverbindung zwischen rheinischer und bergisch-märkischer Strecke.

Beide Strecken bleiben etwa in gleicher Lage, sie werden jedoch verbreitert und um 2,50 m auf der bergisch-märkischen und 4,50 m auf der rheinischen Strecke erhöht.

Dadurch können die Hattinger Straße um 2 m, die Wittener und Wiemelhauser Straße so gehoben werden, daß sie in der ursprünglichen Geländehöhe unterführt werden können. Bei der Hattinger Straße ergeben sich noch Rampenlängen von etwa 160 m bei der Neigung 1:35. Die Castroper Straße benötigt durch die Verlängerung des Güterbahnhofs Nord eine etwa 100 m lange Unterführung.

Bewertung: Die Zusammenfassung des. Reiseverkehrs erscheint zwar vorteilhaft. Doch wird sie für die Reisenden mit wenigstens 40 bis 50 m längeren Wegen zu den Bahnsteigen erkauft. Zudem wirkt die in 2 Teile zergliederte Anlage unübersichtlich und erschwert den Reisenden das Zurechtfinden.

 

Für die Umsteigenden werden die Wege mit 120-200 m von Bahnsteig zu Bahnsteig sehr lang; sie sind mit erheblichen Höhenunterschieden verbunden. Ein erheblicher Teil des Umsteigeverkehrs würde sich daher auch weiterhin in Langendreer abspielen, weil das Umsteigen dort wesentlich bequemer ist.

 

Städtebaulich berechtigt die ungünstige Lage des Bahnhofsgebäudes zur Geschäftsstadt zu gewissen Bedenken, da sich die Geschäftsstadt ja mehr in nordsüdlicher Richtung erstreckt. Auch liegt der Bahnhof abseits der wichtigen großen Ausfall- und Durchgangsstraßen, seine enge Umschließung durch die Bahnkörper bringt ihn auch in wenig günstige Lage zu den meisten Wohnvierteln. Eine gute Bedienung durch Straßenbahnen wird schwierig und nur möglich sein, wenn man erhebliche Umwege für den Durchgangsverkehr unter Umfahren eines Teils der Geschäftsstadt oder vermehrtes Umsteigen dafür in Kauf nimmt.

 

Bei der Bearbeitung der 5 verschiedenen Entwürfe für die Südstrecke wurde die Linienführung so gewählt, daß sie dem oben geschilderten Idealbild für das Verhältnis Straßenhöhe/Schienenhöhe recht nahe kommt. Sie noch weiter nach Süden zu verschieben, verbot sich aus der Rücksichtnahme auf die anschließenden, wenig zerstörten Stadtteile.

 

Die allgemeinen Vorteile dieser Lösung sind: freiere Entwicklungsmöglichkeit für die Innenstadt und deren Auflockerung, günstige Führung der Straßen der Innenstadt, besonders des Ringes, städtebaulich sehr geschickte Lage des Empfangsgebäudes (auf der Hermannshöhe), mit gutem Anschluß an das Straßennetz (Ring) und zwei Hauptausfallstraßen, und in nicht zu großer Entfernung von der Stadtmitte (700 m) bei günstiger Lage zur Geschäftsstadt.

 

Durch die Lage im Einschnitt verschwindet die Bahn sehr weitgehend aus dem Stadtbild. Die Linie benutzt fast völlig zerstörtes Gelände, das hier billiger als bei einer Erweiterung an der nördlich verlaufenden heutigen Strecke ist, da es sich um Wohngelände handelt. Das Gelände zwischen den Bahnlinien wird im Wert erheblich steigen, seine Fläche als Gewinn für die Innenstadt beträgt rund 120 000 qm. Die Wertsteigerung kann einen Teil der bei der Auflockerung der Innenstadt anfallenden Umlegungskosten decken. Die Herstellung der Strecke und ihrer Brücken kann fast ganz unabhängig vom heutigen Eisenbahn- und Straßenbetrieb erfolgen. Allerdings ermöglicht sie auch keine Teillösungen, wie etwa die vorzeitige Inbetriebnahme eines neuen Empfangsgebäudes als Ersatz für das alte zerstörte.

 

Diese Lösungen haben jedoch auch Nachteile. Bei der heutigen Wirtschaftslage und den schlechten Erfahrungen der letzten Jahrzehnte mit ihren häufigen Wirtschaftskrisen kann sich der Zeitpunkt der Inangriffnahme und auch der Fertigstellung (es sind fast 1 Million cbm zu bewegen) noch lange hinausziehen. Solange muß das neue Fluchtlinienband neben der alten Strecke freigehalten werden. Die Entwicklung eines neuen Straßennetzes wird nur mit unschönen und verkehrsbehindernden Zwischenlösungen möglich sein. Diese Tatsache wird sich auch auf den Ausbau der heutigen Innenstadt noch so lange auswirken, bis die heutige Strecke beseitigt ist, und bis dahin kann auch das zwischen den beiden Bahnkörpern liegende Gelände nicht ordentlich aufgeschlossen und bebaut werden.

 

Zu beachten bleiben auch die Bodenbeschaffenheit und Wasserführung des bis zu 15 m tiefen Einschnittes. Nachdem im benachbarten Stadtgebiet Mergel- und Fließsandvorkommen bekannt sind, muß eine sorgsame Bodengrunduntersuchung vorgenommen werden.

 

Der Vorschlag 1 ist ausgearbeitet in dem Bestreben, für die Bahnstrecke eine möglichst flache Neigung (im Mittel 1:143, statt bisher 1:120 auf 900 m) zu erzielen. Die Steigung erhält jedoch eine Länge von über 2200 m. Die flache Steigung bedingt den Fortfall des Gütergleises Bochum-Nord – Weitmar (dessen Aufgaben jedoch ohne allzu große Schwierigkeiten umgelegt werden können). Außerdem erhalten die Gütergleise von und nach Langendreer eine betrieblich unerwünschte Führung.

 

Der Vorschlag erfordert weiter, ein reichsbahnseitiges Brückenbauwerk, an dem sich mehrere Strecken kreuzen, zu verlegen und die vor wenigen Jahren fertiggestellte Buselohbrücke im Bereich ihrer Widerlager abzufangen. Die Kosten sind mit 3% Millionen für diese im Bereich der verschlungenen Strecken sehr umständlichen und zeitraubenden Arbeiten veranschlagt.

 

Die Verlegung des Kreuzungsbauwerkes vermeidet der Vorschlag 2. Die Steigung der Gütergleise bleibt auch hier noch unter 1:200, jedoch erhalten die Personenzuggleise, denen das Hauptgewicht zukommt, eine Steigung von dem Mittel 1:109 auf 1700 m unmittelbar hinter der Bahnhofsausfahrt. Auch diese Lösung ist daher für die Reichsbahn sehr ungünstig.

 

Bei den Vorschlägen 1 und 2 sind die Hattinger, Wiemelhauser und Wittener Straße überführt. Bei der Wittener Straße bedingt Vorschlag 2 ein um 50 cm höheres Herausheben, doch kann hierbei noch die Gefällsrichtung stetig beibehalten werden. Die stadtseitige Rampe läuft bei der Wittener Straße erst nach 300 bzw. 190 m im Gelände aus. Die Wiemelhauser Straße ergibt einen Auftrag für die nördliche Rampe von rund 2 m über Gelände bei einer Rampenlänge von rund 200 m. Unbefriedigend ist die Überführung der Hattinger Straße, die mit einer Höhe von + 102,0 mehr als 11 m über ihrer jetzigen Lage und fast 8 m über Gelände liegt, obwohl die Gleise gegenüber dem heutigen Zustand um rd. 1 m abgesenkt werden müßten. Eine derartige Anschüttung, die bei 1:35 geneigter Straße beiderseits bei etwa 200 m auslaufen würde, behindert die Bebauung so stark, daß sie kaum tragbar erscheint.

 

Um diesen Mangel zu verbessern, wurde ein weiterer Vorschlag 3 ausgearbeitet. Er sieht für die Hattinger Straße wieder eine Unterführung vor, bei der die Straße gegenüber heute um rund 2,50 m höher wird. Wenig günstige Verhältnisse ergeben sich jedoch für die beiden anderen Straßenüberführungen. Die Wiemelhauser Straße wird am Schnittpunkt mit der Bahn um 4 m, weiter nördlich um 6 m gehoben. Das Überführungsbauwerk wird dabei zum Scheitelpunkt der Straße, die stadtseitige Rampe bei einer Neigung von 1:30 noch 270 m lang. Die Wittener Straße wird an der Überführung um 4 m angeschüttet. Südlich wird der Anschluß an das Gelände durch eine Waagerechte erreicht. Nördlich wird die Rampe bei einer Neigung von 1:40 675 m, bei einer Neigung von 1:30 immer noch rd. 330 m lang.

 

Dieser Vorschlag hat für die Führung der Bahngleise den Vorteil, daß der Bahnhof gegenüber den vorhergehenden Lösungen um rd. 4 m gehoben wird. Die anschließend zu überwindende Höhe bis zum Scheitelpunkt sinkt damit von 16 auf 12 m. Außerdem bleibt die Strecke Nord – Weitmar und die frühere günstigere Führung der Gütergleise nach Langendreer erhalten. Schlechter jedoch wird die Höhenlage des Bahnhofsvorplatzes, so daß der Bahnsteigzugang nicht ebenerdig bleiben kann.

 

Im Vorschlag 4 ist eine weitere Lösung ausgearbeitet, bei der die Straßenhöhen an der Wittener und Wiemelhauser Straße um über 1 m abgesenkt sind. Die Rampen verkürzen sich zwar um je etwa 50 m. Jedoch geht die Verbesserung zu Lasten der Hattinger Straße und der Eisenbahn. Die Hattinger Straße liegt um 1,30 m tiefer als beim vorhergehenden Vorschlag und nur noch 1 m höher als heute. Die Schienenhöhe am Bahnhof sinkt um 1,60 m, so daß die anschließende Steigung steiler wird (bis zu 1:105). Aus diesen Gründen dürfte die Reichsbahn diesem Vorschlag kaum zustimmen.

 

Nachteilig bei allen 4 Vorschlägen ist das breite Band der Eisenbahn, das die Stadt zerschneidet. Zwei Unterführungen werden 90 m, die Unterführung der Wittener Straße 65 m lang.

 

Diese Mängel vermeidet der Vorschlag 5, der im Gegensatz zu den vorherigen den Bahnhof an der heutigen Stelle beibehält. Der Bahnkörper stellt im Ostteil nur ein schmales Band dar; die Gesamtlänge der Unterführungen verkürzt sich von 245 auf 205 m. Wittener und Wiemelhauser Straße liegen um 50 cm tiefer, die Hattinger Straße etwas höher als bei Vorschlag 4.

 

Für die Bahn verbessern sich die Steigungsverhältnisse, da zwischen dem Bahnhof und dem Beginn der Steilrampe an der Wiemelhauser Straße eine 600 m lange Waagerechte vorhanden ist, die es ermöglicht, die anfahrenden Züge ausreichend zu beschleunigen.

 

Die Lösung bietet den Vorteil, daß ein Ersatz für das Empfangsgebäude an der endgültigen Stelle geschaffen werden kann, ohne wesentliche Änderungen der heutigen Bahnanlage. Als Nachteil bleibt die weniger günstige Lage des Bahnhofsgebäudes zur Stadt, da es durch die Lage im Zwickel weniger geschickt an den Stadtverkehr angebunden werden kann als bei den Lösungen 1 bis 4. Es liegt einseitig an einer Hauptverkehrsstraße (Hat-tinger Straße).

 

Die Kosten der vorgenannten Vorschläge betragen 20 bis 25 Millionen Reichsmark, bezogen auf die Kosten der Bahnanlagen und der Straßenbrücken. Kostenmäßig günstiger, etwa 14 Millionen Reichsmark, stellen sich die drei Vorschläge, die in stärkerer Anlehnung an die heutige Strecke entwickelt worden sind. Sie bieten überdies den Vorteil, schneller zu Teillösungen in endgültiger Lage zu rühren und die städtebaulichen Arbeiten und Stra-ßenverlegungen bald und endgültig in Angriff nehmen zu können.

 

Der Vorschlag der nördlichen Lösung, bei der die Linienführung vom heutigen Bahnkörper nach Norden ausschwenkt, geht auf eine Anregung von Professor Elkart zurück. Das Bahnhofsgebäude liegt hier, wie bei der folgenden südlichen Lösung, zwischen Wittener und Wiemelhauser Straße. Es ist Straßenbahnmäßig gut zu erschließen. Es liegt nur 150 m von der Stadtmitte entfernt in sehr günstiger Lage zu den Hauptgeschäftsstraßen und einer größeren Zahl von Wohnvierteln, besonders, wenn die neuen Wohngebiete in Altenbochum bebaut sein werden. Auch die Entfernung zum Bahnhof Nord, 500 m, ist recht günstig. Der Bahnkörper wird jedoch um bis zu 100 m nach Norden verschoben, sodaß rund 90000 qm Gelände für die Innenstadt verlorengehen. Alle drei Straßen werden in drei langen Bauwerken (zusammen 270 m lang) unterführt. Wiemelhauser und Wittener Straße haben in Geländehöhe einen günstigen Verlauf. Die Hattinger Straße liegt um 2,10 m höher als heute.

 

Bei der Einengung der innerstädtischen Fläche bereitet die Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes in Verbindung mit dem Ringstraßensystem der Kernstadt gewisse Schwierigkeiten.

 

Die Steigungsverhältnisse auf der Eisenbahn sind verhältnismäßig günstig. Die von Westen einlaufenden Reisezüge erreichen den Bahnhof vor dem Halt über eine Steigung von 1:112, in der sie auslaufen können, und fahren in einer über 700 m langen flachen Rampe an. In der Gegenrichtung kommen die Züge, ohne daß viel Energie durch Bremsarbeit vernichtet werden muß, zum Halten. Bei der Anfahrt werden sie durch das anschließende Gefälle beschleunigt. Die Lösung ist daher betriebskostenmäßig recht glücklich. Allerdings tritt für die zahlenmäßig zurücktretenden Güterzüge gegenüber heute bei der Anfahrt auf dem Verschiebebahnhof eine Verschlechterung ein.

 

Die Bahnsteiganlage in der Krümmung ist wenig übersichtlich. Der gesamte Bahnkörper liegt auf einem bis 4,50 m hohen Damm, der längere Jahre benötigen wird, bis er sich gesetzt hat. Dies könnte ausgeglichen werden, wenn mit den Anschüttungsarbeiten, z. B. mit verfeinertem Trümmermaterial, bald begonnen wird. Dies ist jederzeit ohne wesentliche betriebliche Behinderung des heutigen Zustandes möglich.

 

Allerdings wird das Empfangsgebäude als Ersatz für das völlig zerstörte erst nutzbar gemacht werden können, wenn die neue Bahnlinie in Betrieb genommen wird. Es wird also hierfür, wie bei den Südstrecken 1 – 4 und beim Zentralbahnhof, eine Zwischenlösung gesucht werden müssen.

 

Einer sorgfältigen Planung bedarf der schwierige Herstellungsvorgang für die Unterführung der Hattinger Straße.

 

Weiterhin wurde eine südliche Lösung der Nordstrecke in dem Bestreben ausgearbeitet, die Kernstadt möglichst wenig einzuengen. Sie behält den Nordrand des heutigen Bahnkörpers im wesentlichen bei. Den neuesten Plänen der Rbd. Essen kommt sie sehr nahe und wird außerdem vom Ruhrsiedlungsverband sehr befürwortet.

 

Der Anschluß des neuen Bahnhofsgebäudes an das Straßennetz der Kernstadt läßt sich recht glücklich finden. Der den Bahnhofsvorplatz berührende Ring führt unmittelbar auf das Gebäude des Nordbahnhofs zu, so daß eine übersichtliche und kurze Verbindung zwischen beiden Bahnhöfen besteht.

 

Die Unterführung der Hattinger Straße wird mit einer Hebung von 2,25 m günstiger als heute. Die Wiemelhauser Straße läßt sich ohne besondere Schwierigkeiten unterführen. Lediglich die Unterführung der Wittener Straße befriedigt neben ihrer Länge von 95 m nicht voll. Nach Süden wird ein Einschnitt von etwa 2 m Tiefe im Gelände notwendig, der erst nach 265 m ausläuft.

 

Die Steigungsverhältnisse der Reichsbahn sind ähnlich vorteilhaft wie bei der nördlichen Lösung; jedoch sind die Krümmungsverhältnisse, besonders an den Bahnsteigen, erheblich günstiger. Der Ausbau des neuen Zustandes wird schwieriger sein als bei der vorhergehenden Lösung, jedoch läßt sich bald mit dem Bau des endgültigen Empfangsgebäudes beginnen, der ohne allzu umfangreiche Veränderungen des heutigen Bahnkörpers nutzbar gemacht werden kann.

 

Unter den gleichen Überlegungen wie bei der Südstrecke ist auch hier der Gedanke durchgearbeitet worden, den Hauptbahnhof an seiner alten Stelle zu belassen. Die Vorteile, nämlich das schmale Verkehrsband im Stadtbild, sind die gleichen, ebenso wie eine Reihe von Nachteilen bei der gleichen Lösung für die Südstrecke.

Straßenmäßig befriedigt auch diese Lösung bei der Hattinger Straße, die um 2 m gegen heute gehoben wird. Die Südrampen der beiden anderen Straßen kommen 1,20 m bzw. 1,40 m tief ins Gelände zu liegen und laufen bei etwa 200 m aus.

Es wird Aufgabe der künftigen Zusammenarbeit sein, aus dem Für und Wider der einzelnen Lösungen die beste herauszufinden.

Zur Oberflächengestaltung der Landschaft ist kurz folgendes zu sagen:

Die höchste Erhebung im Stadtkreis liegt im Süden am Friedhof Mittelstiepel mit 196 m, die tiefste Senke in Hordel im Norden mit 60 m. Die Höhendifferenzen im Stadtgebiet sind also verhältnismäßig erheblich. Diese bewegte Oberfläche stellt den Ausläufer des Bergischen Landes dar. Der Süden und Osten wird zur Ruhr, der Norden und Nordwesten zur Emscher entwässert. Die Wasserscheide zwischen Ruhr und Emscher nähert sich im Südwesten dem Ruhrtal, wird aber in der östlichen Hälfte durch den Oelbach nach Norden über Gerthe abgedrängt. Der Abfall nach Süden ist verhältnismäßig steil und zerklüftet. Daraus ergibt sich, daß die größeren zusammenhängenden Siedlungsflächen im nördlichen Teil liegen, während der Süden mehr für Streusiedlungen und Einzelbebauung geeignet ist. Er stellt aber im Zusammenhang mit dem Ruhrtal das ideale Erholungsgebiet Bochums dar.

 

Ein weiterer Faktor für die Stadtgestaltung sind die Kohlenvorkommen unter dem Stadtgebiet. Auf Grund dieser reichen Vorkommen ist das Hauptgewerbe der Bochumer Bevölkerung der Bergbau. Die abbauwürdigen Kohlenflöze erstrecken sich unter dem Stadtgebiet von der Ruhr her nach Norden zu, immer reicher und wertvoller werdend. Die im Süden zu Tage tretenden Magerkohlenflöze wurden im wesentlichen schon in früherer Zeit abgebaut. Die Hauptgewinnungsstellen liegen jetzt in der nördlichen Hälfte des Stadtgebietes. Das ist ein weiterer Grund für die dort anzutreffende dichtere Bebauung mit Industrieanlagen und Wohngebieten. Das Vorherrschen der Kohlenzechen unter den Industrieanlagen bedingt eine aufgelockerte Siedlungsform, denn die Zechenanlagen und die dazugehörigen Bergarbeitersiedlungen gruppieren sich jeweils immer nur um die einzelnen Schächte, die in den betriebstechnisch erforderlichen entsprechenden Abständen voneinander liegen. Wir müssen uns völlig klar darüber sein, daß diese das ganze Stadtgefüge in wirtschaftlicher und städte-baulicher Hinsicht so stark beeinflussenden Kohlenvorkommen in 30 bis 40 Jahren abgebaut sein werden. Es muß daher eine der Hauptaufgaben weitsichtiger Stadtpolitik sein, für dieses in absehbarer Zeit für Bochum ausfallende Gewerbe, das augenblicklich 30- bis 40000 Werktätige beschäftigt, Ersatz in Form anderer, den örtlichen Gegebenheiten entsprechender Gewerbe im Bochumer Stadtgebiet seßhaft zu machen.

Für die künftige Stadtgestaltung sind weiter von entscheidender Bedeutung die einzelnen erhalten gebliebenen unter- und oberirdischen Bauten und die gesamte historisch gewachsene Siedlungsform.

Zu den unterirdischen Bauten gehören:

1. Für die Versorgung: Wasserleitungen, Kanalisation, Gas, Stark- und Schwachstrom, Fernheizleitungen.

2. Für den Verkehr: Straßen, Schienenbahnen, Telephon- und Telegraphenleitungen.

3. Unterirdische Zweckbauten: Tiefkeller für Lagerräume, Tresors, Garagen, Bedürfnisanstalten, Kraft- und

Telephonzentralen, Brunnen.

 

Die Zerstörung bei diesen Tiefbauten ist wesentlich geringer als bei den Hochbauten. Diese Tiefbauten sind organisch gewachsene und sinnvoll aufeinander abgestimmte zusammenhängende Anlagen. Schwere Eingriffe bedeuten daher immer eine große Gefährdung des Gesamtorganismus.

 

Die oberirdische Planung muß daher mit der unterirdischen Hand in Hand gehen, da sich Fehler in der Zusammenarbeit schwer rächen und vielfach nicht wiedergutzumachen sind. Mit großer Sorgfalt ist daher jeweils die Frage zu prüfen, wie weit die wünschenswerte Neuordnung der oberirdischen Stadt im Hinblick auf die vorhandenen unterirdischen Anlagen durchzuführen ist und welches die einfachste, am meisten für alle Teile befriedigende Lösung ist.

 

Die erhaltenen Hochbauten stellen einen wesentlichen Faktor für die zukünftige Stadtplanung dar. Sie sind die Eckpfeiler für das neue Gebilde. Wir gehören weder zu den krankhaft Erneuerungssüchtigen, noch aber auch zu den allzu ängstlich Behütenden, daher werden nur in Ausnahmefällen, wie z. B. an der Drehscheibe, dort, wo gar keine andere Lösung möglich ist, einmal die neuen Fluchtlinien durch erhalten gebliebene Bauten hindurchgehen. Je nach Wirtschaftslage bleibt es dann einer späteren Zeit vorbehalten, die so vorbereitete Verbesserung der Straßenverhältnisse durch Beseitigung dieser Hindernisse durchzuführen.

Aber auch wenn die Bebauung überwiegend zerstört ist, stellten der Grundriß der Stadt, das geschichtlich gebundene Zusammenspiel der Plätze und Straßen, die überlieferten Ideen ein verpflichtendes Vermächtnis dar, das nicht ohne besonderen Grund und ohne bedeutend Besseres an seine Stelle zu setzen, verlassen werden dürfte.

 

Was ungesund ist und sich überlebt hat, muß allerdings geändert werden. Der jeweils mehr oder weniger zufällige, oft unglücklich verwinkelte Grundstücksbesitz darf keine entscheidende Rolle mehr spielen. Wir hoffen, daß gesetzliche Formen gefunden werden, die die Stadtgestaltung zur allseitigen Befriedigung von diesen Fesseln lösen. Die die schöne, gesunde und rationelle Stadtgestaltung anstrebende Stadtplanung muß völlige Ellenbogenfreiheit gegenüber den Bodenpreisen und Bodenspekulationen erlangen.

 

Das gesamte historisch gewachsene Siedlungsschema unserer Stadt ist von großer Bedeutung. Die Siedlungsweise im Ruhrgebiet ist wesentlich aufgelockerter als außerhalb des Reviers. Die Gründe hierfür liegen im wesentlichen in dem Aufbau des Wirtschaftsraumes.

 

Im Ruhrgebiet treten in besonderem Maße, wie schon gesagt, die verstreut liegenden Zechen als Ansatzpunkte für die menschlichen Siedlungen auf. So entstanden zwischen Ruhr und Emscher während des letzten Jahrhunderts in Anlehnung an standortgebundene Zechen neue Siedlungen und Ortserweiterungen. Günstige Verkehrsverbindungen hoben dann wirtschaftliche Schwerpunkte heraus, die die Kerne der heutigen Groß- und Mittelstädte bilden. Auch das heutige Stadtgebiet von Bochum ist durch mehrere große Eingemeindungen entstanden. Dieser Zusammenfassung ehemals selbständiger Gemeinden zu einer kommunalen Einheit fehlt noch der bauliche Ausdruck einer neuzeitlichen Großstadt, für die jedoch die Voraussetzungen bestehen. Die Gegebenheiten des Stadtkörpers im augenblicklichen Stadium der Entwicklung weisen im Hinblick auf

 

a) die Bebauung

b) die Freiflächen

c) die Verkehrsstruktur

 

die Konturen einer Sternstadt mit außerhalb liegenden Baugebieten, den sogenannten Trabantensiedlungen, auf. Die Sternstadt bietet für gewachsene Städte von der Größe Bochums die größten Vorteile gegenüber anderen Siedlungsformen. Die Form entstand dadurch, daß gleichzeitig mit der Überbauung des Weichbildes der Stadt die Vororte an den Ausfallstraßen sowohl mit der Kernstadt als auch untereinander zusammenwuchsen und sich verdichteten. In Bochum hat dieses Wachstum außerhalb der heutigen Sternspitzen etwa in Riemke, Altenbochum, Weitmar, Bochum-West aufgehört, so daß außerhalb dieser Stadtteile noch vom Stadtkörper losgelöste Baugebiete vorhanden sind, die allseitig von freier Landschaft umgeben werden, so z. B. Gerthe, Harpen, Langendreer, Stiepel, Linden.

 

Die wichtigste Forderung an ein neuzeitliches Stadtgefüge, die Auflockerung der Häusermassen durch Freizonen, ist durch die Entwicklung in Bochum bereits weitgehend verwirklicht und läßt sich verhältnismäßig leicht vervollkommnen. Als weiterer Vorteil für die zukünftige Stadtgestaltung im Sinne der Dezentralisierung ist zu werten, daß die heutigen Stadtteile noch den Charakter der früher selbständigen Gemeinden beibehalten haben und daher künftige Kernbildungen außerhalb der eig4ntlichen Geschäftsinnenstadt darstellen. Weiterhin ist das Bedürfnis anderer Großstädte, die nahe Verbindung zwischen Wohn- und Arbeitsgebieten herzustellen, aus dem vorerwähnten Grunde in Bochum kaum vorhanden. Die starke Überbauung des Gebietes mit Streusiedlungen hat zwar die ursprüngliche Landschaft, besonders in der Nähe des Weichbildes der Stadt, weitgehend verunstaltet, aber dafür noch große und zusammenhängende Freiflächen zwischen den Baugebieten bestehen lassen. Diese sollen daher im Laufe der Zeit zur sogenannten Stadtlandschaft umgestaltet werden.

 

Als solche bezeichnet man ein zusammenhängendes Grünsystem mit allseitiger Richtung auf den Stadtkern hin. Dieses Grünflächennetz besteht in der Nähe des Stadtkerns aus Parkanlagen, Friedhöfen, Sportplätzen, Erwerbs- und Kleingärten und bildet außerhalb in der Umgebung der vom Stadtkörper losgelösten Siedlungsteile die landwirtschaftlich genutzten Flächen und Wälder. Besonders die Kleingärten finden zur Zeit erhöhte Beach-tung, um dem Drang der städtischen Bevölkerung nach nahrungspendendem Boden zu entsprechen. Auf Grund des Erlasses der Landesregierung ist auch in Bochum bereits eine große Aktion eingeleitet worden, welche die Schaffung von 8 000neuen Kleingärten zusätzlich zu den rd. 4 000 schon vorhandenen zum Ziel hat.

 

Die historische Entwicklung, die zu diesem System der Sternstadt mit außerhalb liegenden Baugebieten führte, ist kurz folgende:

 

Die Siedlung Bochum entstand an der Kreuzung zweier alter Handelsstral3en schon vor der Römerzeit. Diese Straßen wurden von den Römern weiter ausgebaut. Sie verliefen über der Wasserscheide von Ruhrort über Essen-Steele – Bochum nach Castrop in ostwestlicher Richtung und in nordsüdlicher Richtung aus dem Bergischen über Blankenstein – Bochum – Recklinghausen – Haltern – Münster. Diese Straßen wurden später mit Hellweg und Südhellweg bezeichnet.

Karl der Große richtete seinen Königshof an dem Kreuzungspunkt dieser Straßen ein, der sich Ende des 9., Anfang des 10. Jahrhunderts zum Mittelpunkt der umliegenden Bauernschaften herausbildete.

 

Der alte Reichshof lag zwischen der Bleichstraße, der Unteren Marktstraße, der Kleinen Beckstraße und dem Schwanenmarkt. Zu ihm gehörten die alte Peterskirche (die jetzige Propsteikirche), das alte Herrenhaus und der eigentliche Wirtschaftshof mit Nebengebäuden. Diese Anlagen lagen auf dem Platz des heutigen Elisabeth-Krankenhauses. Auf dem Platz vor diesem Königshof, dem jetzigen Markt, sprach der König Recht.

Dann wurden weitere geschichtliche Daten und Einzelheiten der Stadtentwicklung bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts mitgeteilt.

Die Stadt zählte bis vor 100 Jahren nur ca. 3000 Einwohner. [sic!]

 

In den 40er bis 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte jedoch eine machtvolle Entfaltung von Bergbau und Eisenindustrie ein und machte Bochum in kürzester Zeit zu einer Industriestadt. Diese Entwicklung beruhte vor allem auf den 94 abbauwürdigen Kohlenflözen, die sich unter dem Stadtgebiet von der Ruhr her nach Norden zu immer reicher und wertvoller hinziehen.

Die Abbauwürdigkeit der Kohle ist von der Lösung der Verkehrswege abhängig. Zuerst fand eine Verarbeitung nur in nächster Nähe der Fundstätte statt. 1776 - 1780 wurde durch den Einbau von 6 Schleusen zwischen Herdecke und der Rheinmündung die Schiffbarmachung der Ruhr durchgeführt. Damit war der erste Schritt zur Erschließung des Fernhandels getan. Der Transport nach dem Norden erfolgte nur über die alte Kohlenstraße nach Dorsten, wo eine Steinkohlenniederlage an der Lippe errichtet wurde. Nach 1800 erfolgte dann ein großzügigerer Ausbau von Fernverkehrsstraßen:

 

von Witten nach Bochum – Steele, ein Teil der großen Straße, die von Holland über Wesel – Essen – Bochum – nach Siegen – Wetzlar und Frankfurt a. M. führt,

2. von Bochum über Hattingen nach Elberfeld,

die Straße nach Norden von Bochum über Hofstede, Crange nach Dorsten und von Bochum nach

Recklinghausen.

 

Diese Straßen waren für die damalige Zeit eine hervorragende technische Leistung und schufen neue Absatzgebiete.

 

Größere Transporte auf weitere Entfernungen brachte aber erst die Einführung der Eisenbahn. Schon die erste Entwicklung war für Bochum äußerst ungünstig. Die erste, im Jahre 1847 durch das Industriegebiet verlegte Bahn lief von Duisburg über Oberhausen nach Gelsenkirchen, Herne, Dortmund, Hagen, also durch das Emschertal. Maßgebend hierfür waren die Terrainschwierigkeiten, die das hügelige Bochumer Gebiet bot. Bochum wurde durch die Eisenbahn nicht berührt. Gelsenkirchen, Herne, Wanne blühten schnell auf. Diese Verschiebung nach Norden war ein schweres Hemmnis für die Entwicklung Bochums denn der nächste Bahnhof mit der Bezeichnung Herne-Bochum lag 1_ Stunden von der Stadt entfernt.

 

Auch die zweite, die Bergisch-Märkische Bahn, die von Wuppertal über Hagen – Witten nach Dortmund führte, berührte Bochum nicht. – Bochum verlangte, daß die Verbindungsbahn zwischen Vohwinkel – Steele (die sogenannte Prinz-Wilhelm-Bahn) mit der Köln-Mindener Bahn nicht über Wattenscheid nach Gelsenkirchen, sondern über Bochum – Eickel – Herne führen solle, aber auch dieser Wunsch wurde als zu kostspielig abgelehnt. Erst 1860 wurde Bochum dem Eisenbahnverkehr angeschlossen. Jetzt erst war der Weg frei für die großartige Entwicklung der Wirtschaft Bochums. Zum Bergbau kamen Eisenindustrie und Maschinenbau. Der Stadtplan von 1851 zeigt noch den isolierten, aber geschlossenen Stadtkern mit dem Stadtgraben. Nach Süden und Westen setzt eine verstreute Erweiterung an. Die Erweiterung nach Westen längs der Essener Straße ist bedingt durch die entstandene Stahlfabrik von Mayer & Kühne, dem späteren Bochumer Verein.

 

Die Bebauung des Südhellwegs hängt wohl mit dem gesteigerten Verkehr nach Süden, dem damaligen Hauptgebiet des Bergbaues, zusammen.

 

Der Stadtplan von 1869 zeigt das Westviertel unter dem Einfluß des aufstrebenden Bochumer Vereins. Das Moltkemarktviertel ist im Entstehen begriffen und findet Anschluß an die alte Kolonie Stahlhausen, zu der 1864 der Grundstein gelegt worden war. Der 1862 damals außerhalb der Stadtgrenze angelegte Bahnhof der Bergisch-Märkischen Bahn läßt das Südviertel, das begrenzt ist durch die Friedrich-, Hoch- und Bahnhofstraße, entstehen. Bemerkenswert ist weiterhin das Vorrücken der Siedlungen längs der alten Landstraßen, der Wiemelhauser Straße, der Wittener Straße, der Dorstener Straße, der Herner Straße und der Castroper Straße. – Diese Ansiedlungen sind bedingt durch die sich rings um den Stadtkern niederlassenden Zechen. Der Plan von 1885 zeigt ein Zusammenwachsen des Stadtkörpers. Das Westviertel sowie das Bahnhofsviertel sind bereits ausgebaut. Zwei neue Stadtviertel beginnen sich zu verdichten: 1. im Nordwesten an der Brück- und Dorstener Straße und 2. im Südosten an der Wittener und Wiemelhauser Straße.

Der Stadtplan von 1906 zeigt: die Bildung eines neuen Ortsteiles nördlich der rheinischen Strecke in Anlehnung an die Zeche Ver. Präsident II., die Anlage eines modernen Wohnviertels um den aus dem Jahre 1875 stammenden Stadtpark, den Beginn der Bebauung des südlichen Wohnviertels, des Ehrenfeldes.

Im Süden hatte die Bebauung bereits 1885 die Stadtgrenze erreicht. Ein Hinübergreifen über die Stadtgrenze war sehr schwierig. 1898 gelang es jedoch dem Bauunternehmer Clemens Erlemann, das Gelände zwischen der Bergisch-Märkischen Bahn, der Zechenbahn, dem Grünen Weg, der Oskar-Hoffmann-Straße und der Hattinger Straße zu kaufen und zu bebauen. Nachdem der Widerstand der Familie von Schell, der das Rittergut Rechen gehörte, gegen einen Verkauf gebrochen war, wurde ab 1904 auch der übrige Teil des Ehrenfeldes aufgeschlossen. Diesen 2 Etappen entsprechend weist das Ehrenfeld auch 2 ungleiche, wenig aufeinander abgestimmte Teile auf und darauf ist auch die besonders unglückliche Verbindung der Hattinger Straße und Königsallee zurückzuführen. Nachdem die Bebauung bis dicht an die Stadtgrenze vorgerückt war, beginnt um die Jahrhundertwende die notwendige Ausweitung des Weichbildes durch Eingemeindung:

1904 kommen Grumme, Hamme, Hofstede, Wiemelhausen hinzu, 1926 Hordel, Riemke, Bergen, Altenbochum, Weitmar, Teile von Eickel, Laer, Eppendorf, Höntrop, Westenfeld, 1929 Gerthe, Harpen, Langendreer-Werne, Somborn, der Rest von Laer, Querenburg, Baak, Linden-Dahlhausen.

Diese Eingemeindungen waren notwendig, um eine Auflockerung in der Bebauung der stark zusammengepreßten Industrieviertel zu ermöglichen.

Bochum war nach dem ersten Weltkrieg mit 57 Einwohnern auf 1 ha die am dichtesten bevölkerte Stadt des Ruhrgebietes. Aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten für die aufstrebende Industrie waren in dem engen Raum nicht mehr gegeben.

Der Industrie konnte das für ihre Neuanlage notwendige Gelände nicht mehr zur Verfügung gestellt werden.

 

Raum für eine gesunde Siedlungspolitik sowie für ein ausreichendes Erholungsgebiet für die arbeitende Bevölkerung konnte nun nach der letzten Eingemeindung im Süden bereitgestellt werden. Für die Entwicklung der Industrie war aber weder im Westen nach Wattenscheid zu, noch im Norden nach Wanne und Herne zu genügend Entwicklungsmöglichkeit gegeben. Vor allem fehlte auch der Anschluß an die leistungsfähigen Eisenbahnlinien des Emschertals und den für Großverkehr ausgebauten Rhein-Herne-Kanal. Immerhin gelang es, den großen Vorsprung aufzuholen, den die beiden Nachbarstädte Essen und Dortmund – die eine als freie Stadt und Sitz der Fürstäbtissin, die andere als freie Reichs- und Hansestadt – schon im Mittelalter eingenommen hatten.

 

Das Bochumer Stadtgebiet besteht nun aus dem eng bebauten Stadtkern, der sich daherum gruppierenden Neustadt, den Streusiedlungsgebieten im Süden und Südosten sowie den dicht besiedelten Siedlungsnestern im Norden und Nordosten. Der Grundriß des kleinen, mittelalterlichen Landstädtchens hat sich als Stadtkern fast unverändert erhalten. An den engen, windungsreichen Gassen, an denen einst die strohgedeckten kleinen Fach-werkhäuser standen, wurden ohne wesentliche Veränderung der Fluchtlinien die modernen Aufbauten der hohen Warenhäuser, Banken- und Verwaltungsgebäude errichtet.

 

Auch der Verlauf der ehemaligen kümmerlichen Erdwallbefestigung ist durch die Grabenstraße, Unterer Spitzberg, Gerberstraße und Weilenbrink noch gekennzeichnet.

 

Den gesteigerten Anforderungen des Verkehrs paßte man sich keineswegs durch zügigere Führung und Verbreiterung der Straßen an. Nicht einmal die Hauptstraßen, die Ost-West- und Nord-Süd-Straße, denen Bochum seine Entstehung zu verdanken hatte, wurden entsprechend ausgebaut. Durch die Zusammendrängung des Geschäftslebens auf diesen engen Kern wurde der Bodenwert außerordentlich in die Höhe getrieben. Es führte zu einer starken Überbebauung der Grundstücke. Zu enge Höfe, schmale Straßen, zu hohe Bebauung waren die Folge, so daß licht- und luftlose Schächte und Schluchten entstanden. Zu den zahlreichen Ge-schäftsbauten kamen repräsentative Behördenbauten, die aber auch unter der Enge des Raumes litten. In blinder, kleinlicher Geschäftstüchtigkeit hatte man eine planvolle Anpassung des wichtigsten Stadtteiles, der City, an die Erfordernisse der Entwicklung versäumt.

Während die Altstadt durch die Umrißlinien des Grabens noch gehalten wurde, wuchs die Neustadt ohne bestimmte Umrisse schrankenlos in unregelmäßiger Gestalt in die Umgebung hinein. Dieser Ausbau ging ohne jede weitgreifendere Planung vor sich. Er entsprach jeweils dem unmittelbar auftretenden Bedürfnis und der Spekulation.

 

Zunächst vollzog sich der Ausbau entlang den bestehenden Radialstraßen nach Westen – Alleestraße, Nordwesten – Dorstener Straße, Norden – Herner Straße, Nordosten – Castroper Straße, Südosten – Wittener Straße, Süden – Wiemelhauser Straße, Südwesten – Hattinger Straße. In eintöniger Anordnung wurden zu den Hauptstraßen Parallelstraßen angelegt, diese durch rechtwinkelige Querstraßen miteinander verbunden. So entstand die trostlose Gitterform im Griesenbruchviertel, an der Dorstener Straße, Bergstraße, Königsallee. Lie-gen zwei Ausfallstraßen verhältnismäßig dicht beieinander, so entsteht das System der Leiterform, z. B. zwischen Wiemelhauser und Wittener Straße. Diesem schematischen System entsprechen gradlinige Straßen, bis ihnen irgendwo ein Hindernis entgegentritt in Form von Eisenbahnlinien, einer Fabrik, Zechenanlage oder Bergehalde. Während die frühere Siedlung einen in ost-westlicher Richtung gestreckten elliptischen Umriß zeigte, sind die Grenzen jetzt im großen und ganzen in süd-nördlicher Richtung gestreckt. Damit macht sich der im ganzen Ruhrgebiet vorherrschende Zug von Süden nach Norden bemerkbar.

 

In der Zeit vor 1900 wurden im wesentlichen viergeschossige, unschöne Miethauszeilen gebaut, die sich zu viereckigen Blöcken zusammenschlossen, in deren Innern vielfach noch Hinterhäuser und Gewerbebetriebe angeordnet sind. Sie waren nur an wenigen Stellen von kleinen Flächen mit aufgelockerter Bebauung durchsetzt, so Stahlhausen, Wörthstraße, an der Bergschule, Albertstraße, Bismarckstraße, am Stadtpark. Durch schematische Aussparung eines Baublocks entstand dann ein Platz, so Wilhelmsplatz, Marienplatz, Kaiser-Fried-rich-Platz, Moltkemarkt.

 

Eine glücklichere Entwicklung setzte erst ein, als 1912 Herr Professor Elkart die Stadtplanung verantwortlich in die Hand nahm, so im Ehrenfeld und am Stadtpark. In dieser Zeit wurden von ihm künstlerisch hochwertige Musterbauwerke, wie Bismarckschule, Parkhaus, Verwaltungsgebäude RWE, Drusenbergschule, errichtet. Er führte eine straffe Bauberatung ein, der sich jeder Neubau zu unterziehen hatte. Leider gelang es der Stadt nicht, ihn für eine längere Periode zu gewinnen.

Nach seinem Abgang Mitte 1918 zerfiel die einheitliche künstlerische Richtung in städtebaulicher Hinsicht sehr schnell wieder. Lediglich gute Einzelleistungen kamen zustande. Hierzu gehören vor allem einige Siedlungen in guter klarer Hausform und Fassadengliederung; eine weitgehende Geschlossenheit der Anlage bei aufgelockerten Baumassen und bereits starker Durchsetzung mit Grünanlagen ist erreicht. – Wie weit der Zerfall in städtebaulicher Hinsicht gediehen war, zeigte sich besonders deutlich, als man daranging, innerhalb einer kurzen Zeitspanne den wichtigsten Platz, den Rathausplatz, zu bebauen. Auf engstem Raum wurden drei repräsentative Gebäude errichtet, die aber in ihrer Gestaltung in keiner Weise aufeinander abgestimmt waren.

Bei dem Riesenaufwand an Geldmitteln, den die Bebauung dieses Platzes verschlang, wurde die große Gelegenheit, eine einheitliche städtebaulich schöne Anlage zu schaffen, restlos verpaßt. Ich will hiermit gegen die Einzelausbildung der Gebäude nichts sagen. Große Flächen nimmt die Industrie im Stadtgebiet ein, im Westen die vier großen Flächen des Bochumer Vereins, leider in grundsätzlich falscher Lage zum Stadtgebiet, da es somit beiden vorherrschenden Westwinden im Niederschlagsschatten der Industriegase und Rauchwolken liegt; im Nordosten Eisen- und Hüttenwerke, Zeche Constantin der Große; Nähe des Hauptbahnhofs Orenstein & Koppel, Westfalia-Dinnendahl-Gröppel.

Auf Grund aller dieser Gegebenheiten und in der Annahme der Eisenbahnstraße Nord, und zwar nördliche Variante, wurde von Herrn Prof. Elkart in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eine Generalbebauung vorgenommen.

 

Als wesentliche Merkmale des Gesamtplanes sind

festzustellen:

 

1. Die Hauptbahntrace mit dem Hauptbahnhof unter Verbreiterung der ehemaligen Bergisch-

Märkischen Bahn nach Norden,

2. Wiederherstellung der alten Ost-West-Straße durch Verbindung der Alleestraße und Wittener

Straße als breite Verkehrsstraße,

3. Wiederherstellung der alten Ost-Süd-Trace durch Verbindung der in günstiger Form zusammengeführten

Hattinger Straße und Königsallee über die Viktoriastraße zur Zusammenführung der Dorstener und Herner

Straße.

4. Verbindung der vorhandenen Grünflächen untereinander durch Anlage eines Grünringes und Anlage von

Grünstreifen radial aus der Innenstadt in die ländliche Umgebung.

5. Ausbildung städtebaulich besonders wichtiger Platzanlagen am Rathaus, an der Propsteikirche, am

Husemannplatz, am Hauptbahnhof und am Bergbaumuseum.

 

An Hand der auf die Bildwand projizierten Zeichnungen wurden dann die einzelnen Teile dieser Planung erläutert. In diesem Zusammenhang wurden Ausführungen zur Bochumer Wohnform gemacht:

 

Maßgebend für die Form ist: Tradition, Baurecht und soziale Forderungen einerseits und Streben nach Wirtschaftlichkeit andererseits. Bochum lag bisher in seiner Wohndichte innerhalb des Reichsgebietes sehr günstig. Die Behausungsziffer, d. h. Einwohner je Haus, betrug im Mai 1927:

 

für Bremen 7,6,

für Essen und Bochum 10,4,

für Hannover 20,6,

für München 25,3,

für Hamburg 28,3 und

für Berlin 29,3 Einwohner.

 

Im Vergleich dazu ist es interessant, daß die Behausungsziffer für London nur 8 Einwohner und für Los Angeles nur 6 Einwohner pro Haus betrug. Im erweiterten Bochumer Stadtgebiet war kein ausgeprägtes Mietskasernenelend zu spüren, sondern immer noch eine gewisse Bodenverbundenheit wirksam. Das drückt sich auch in folgenden Zahlen aus:

In Essen und Bochum wohnten nur 12 % der Bevölkerung höher als 2 Treppen, in Hannover 20 %‚ in Leipzig 32 % und in Breslau sogar 40 %.

 

21 % aller Haushaltungen betrieben in unserem Stadtgebiet Viehhaltung, gegenüber nur 14,5 % im Durchschnitt des Gesamtreiches.

 

Nach dem Bombenkrieg ist die Bevölkerung Bochums auf etwa 4 qm je Kopf zusammengedrängt worden. Das entspricht einer Behausungsziffer in der völlig untragbaren Höhe von etwa 80 Einwohnern je Haus. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die Wohnverhältnisse aus der Zeit vor dem Krieg wiederherzustellen, denn nach den vorher genannten Zahlen entsprechen sie wohl dem uns zugebilligten mittleren Lebensstandard.

Als Beispiel für den Aufbau eines ganzen Viertels wurden die verschiedenen Planungen für das fast völlig zerstörte Griesenbruchviertel gezeigt.

 

Das Baurecht sieht auf Grund der Verordnung zur Regelung über die Bebauung vom 15. 12. 36 im Baustufenplan für Wohnhausbebauung die 1- bis 3geschossige Bauweise vor. Bei der Nähe zum Stadtzentrum erscheint für dieses Viertel wohl eine 3eschossige Bauweise mit einer bebaubaren Grundstücksfläche von 3/10 der Gesamtfläche angebracht.

Es ist nicht eine geschlossene Randbebauung vorgesehen, sondern in Abständen von 150 bis 200 m sind jeweils Baulücken angeordnet, die entsprechend gärtnerisch auszubilden sind. In den Hofräumen besteht die Möglichkeit zur Anlage von Hausgärten. Die Zuordnung von weiteren Kleingartenflächen in max. 15 Minuten Entfernung von den Wohnungen ist im Zusammenhang mit den öffentlichen Grünflächen vorgesehen.

 

Der Abstand zwischen den Baufluchtlinien betrug früher ebensoviel wie die Haushöhe. Dabei entfielen 2/5 der Fläche auf Gehwege und 3/5 auf den Fahrdamm. Nach heutigen Gesichtspunkten erfordert die Licht- und Luftzuführung sowie die Begrünung einen Gebäudeabstand von mindestens dem 2- bis max. 4fachen der Gebäudehöhe. Außer Gehweg und Fahrbahn werden dann noch Vorgärten angeordnet. Auf diese Weise ist eine weitgehende Auflockerung und Durchgrünung des allzu eng bebauten und an Grünflächen armen Viertels mög-lich. Ein so angelegtes Wohngebiet wird zur Erhaltung der Arbeitskraft und Steigerung der Lebensfreude der Arbeitsmenschen beitragen.

Bei der Durchführung der Bebauung sind 2 Wege möglich:

Im ersten Falle beläßt man die meist aus verstreutem Eigenbesitz bestehenden Besitzverhältnisse, weiterhin das vorhandene Erschließungssystem, und richtet sich nach allen instandsetzungswürdigen Häusern. Den Zeitpunkt des Wiederaufbaues und die Ausgestaltung überläßt man weitgehend der Einzelinitiative, die dann an den verschiedensten Stellen je nach Neigung und Möglichkeit sowie in unterschiedlicher Ausgestaltung mit dem Aufbau beginnen würde. Als Verbesserung kann hierbei erzwungen werden:

 

die Verbreiterung der Gebäudeabstände an den Straßen,

die Unterscheidung zwischen Wohn- und Gewerbeblöcken,

die Beseitigung von Hinter- und Flügelbauten,

die Anlage von Grünzügen und Vorgärten,

die Herabzonung der jetzigen teilweisen 4geschossigen Bebauung auf 3 Vollgeschosse.

 

Das Ergebnis ist eine allenfalls tragbare, aber keineswegs ideale Bebauung. Sie beläßt allerdings der Einzelinitiative der verschiedenen Baulustigen die größten Möglichkeiten.

 

Der 2. Weg ermöglicht eine idealere Bebauung, er macht aber eine umfassende Bausperre und Hemmung der privaten Bauinitiative auf längere Zeit notwendig. Danach sind folgende Maßnahmen vorzusehen:

Eine großzügige Umlegung von Grundstücken, eine genossenschaftliche Zusammenfassung der Baulustigen, eine weitgehende Änderung des Erschließungssystems, Abbruch einzelner, gegebenenfalls noch ausbauwürdiger, aber störender Ruinen und räumlich und zeitliche Zusammenfassung des gesamten Wiederaufbaues nach einheitlichem Plan.

Die Durchführung dieser Methode ist aber nur nach Schaffung der erhofften neuen Bau- und Bodengesetze und Änderung der Wirtschaftsverhältnisse möglich.

Für beide Wege entstehen etwa die gleichen Kosten. Es ergibt sich in jedem Falle die Notwendigkeit, ein Viertel aller Grundstücksinhaber in neu anzulegende Stadtviertel oder in Baulücken umzusiedeln.

Gegenüber dem auf der Eisenbahntrace Nord beruhenden Plan wurde von der Stadtverwaltung auch eine Stadtplanung, der die Eisenbahntrace Süd zugrunde gelegt ist, durchgeführt. Auch diese Planung wurde an Hand der projizierten Lageplanzeichnungen, der Ansicht von Straßenfassaden und Perspektiven dargestellt.

  

Impressum

1985 Bochumer Heimatbuch

 

Band 8

 

Herausgegeben von der Vereinigung für Heimatkunde Bochum e.V.

 

Verlag:

Schürmann & Klagges

 

Titelbildgestaltung:

„Schorsch-Design®" Georg Wohlrab, Heusnerstraße 17, Bochum

 

Gesamtherstellung:

Druckhaus Schürmann & Klagges,

 

Bochum ISBN-Nr. 3-920612-06-X